: „Lafontaine lässt grüßen“
Wirtschaftschefs fordern staatliches Konjunkturprogramm – früher vertraten sie das Gegenteil. Staatlicher Spielraum jedoch angeblich gering. Experten halten weitere Zinssenkungen der Zentralbank für das bessere Mittel gegen eine Rezession
von KATHARINA KOUFEN
Wenigstens einer bleibt sich auch in schweren Zeiten treu: Hans-Olaf Henkel, ehemals Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie und heute Privatdozent. Der taz sagte er gestern, von Konjunkturprogrammen halte er „gar nichts“. Es sei schon „wirklich seltsam“, dass einzelne Wirtschaftsgrößen angesichts der rückläufigen Konjunktur vom Staat verlangen, die Nachfrage anzukurbeln. Henkel: „Oskar Lafontaine lässt grüßen.“
Zu den einzelnen Vertretern der Wirtschaft, die Konjunkturprogramme fordern, gehören VW-Chef Ferdinand Piëch und Rolf Breuer von der Deutschen Bank. Piëch schlug dem Bundeskanzler letzte Woche eine „Verschrottungsprämie“ für Gebrauchtwagen vor. Das soll den Absatz von Neuwagen ankurbeln. Breuer plädierte für eine „konzertierte Aktion“ von Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Joachim Scheide, der Leiter der Konjunkturabteilung am Kieler Weltwirtschaftsinstitut, sagte dazu: „Ich möchte kein Unternehmensbashing betreiben. Aber wenn die gleichen Leute, die sich in der Vergangenheit immer für Haushaltskonsolidierung ausgesprochen haben, nun so etwas fordern, dann steckt da ganz klar ein Eigeninteresse dahinter.“
Doch nicht nur Unternehmer, die bei solchen Forderungen in der Tat ihre kurzfristigen Gewinne und Aktienkurse im Blick haben dürften, hoffen auf des Staates helfende Hand. Auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, sprach sich am Wochenende für ein „globales Konjunkturprogramm der G 8-Staaten“ aus. Gemeinsam sollten die Industrieländer die Nachfrage stimulieren, etwa indem sie mehr Geld für Infrastruktur ausgeben. Den EU-Stabilitätspakt, der die Staaten der Eurozone zum Sparen zwingt, betrachtet Sinn nicht als Hindernis.
Unter den Wirtschaftsforschern steht Sinn jedoch ziemlich allein. Beim Kieler und beim Freiburger Walter Eucken Institut hält man dagegen, Konjunkturprogramme kosteten den Staat Geld und verleiteten dazu, die Ausgaben nach Belieben zu erhöhen. Joachim Scheide: „Da ist kein Spielraum verhanden.“ Denn das von der Bundesregierung anvisierte Ziel, 2001 Schulden nur in Höhe von 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufzunehmen, werde ohnehin verfehlt. „Wir rechnen mit 2,5 Prozent Neuverschuldung.“ Zudem dauere es zu lange, bis Programme Wirkung zeigten. Und für nächstes Jahr rechnen die Kieler mit einer Konjunkturerholung, „wenn auch wegen der Terroranschläge mit Verzögerung“.
Besser sei es, die Konjunktur über Zinssenkungen zu stimulieren, wie es die Europäische Zentralbank kurz nach dem 11. September bereits getan hat. „Das ist eine flexiblere Methode, die schneller Wirkung zeigt als Konjunkturprogramme.“
Auch Ex-Bundeswirtschaftsminister Helmut Hausmann (FDP), zu dessen Amstzeit Ende der 80er-Jahre staatliche Wirtschaftsbelebung noch en vogue war, rät zu einer lockeren Geldpolitik. „Wenn die Bundesregierung aber ihre Ausgaben erhöht, nimmt sie der EZB diesen Spielraum, weil damit die Inflationsgefahr steigen würde.“ Staatliche Investitionen dürften allenfalls aus Umschichtungen im Haushalt finanziert werden.
„No way“, sagt Klaus Müller, bis vor kurzem finanzpolitischer Sprecher der Grünen, dazu. Schließlich muss Finanzminister Eichel jetzt schon ein Haushaltsloch von 3,5 Milliarden Mark stopfen. „Weder für Umstrukturierungen ist Spielraum noch für Neuverschuldung noch für weitere Steuerhöhungen.“ Damit liegt er ganz auf der Linie des Bundeskanzlers. Der teilte den Forderungen nach Konjunkturprogrammen gestern erneut eine Absage.
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