: Preisverdächtige Koexistenz
Am Wochenende feiert sich die TV-Branche zum dritten Mal beim Deutschen Fernsehpreis. Bei mindestens 20 Kategorien geht kaum ein Sender leer aus. Und auch das Adolf Grimme Institut findet für die Glamourshow warme Worte (So., 20.15 Uhr, Sat.1)
von STEFFEN GRIMBERG
Die deutsche TV-Branche setzt auf die Selbstauszeichnung als Zeichen höchsten Programmschaffens: Schon beim dritten Durchgang ist der von ARD, ZDF, Sat.1 und RTL gestiftete Deutsche Fernsehpreis (DFP) fest etabliert. Diesen Samstag feiert man sich bei der millionenschweren Gala in Köln, am Sonntag bestreitet Sat.1 mit der Zusammenfassung sein Hauptprogramm. Und natürlich dürfen wir beim anschließenden „blitz-spezial“ noch ein halbes Stündchen Caroline Beil lauschen, die sich vollschlabbernde Stars und Sternchen am Buffet moderiert. Nur das Ganze live zu übertragen traut sich das deutsche Fernsehen noch nicht.
Der andere große deutsche Fernsehpreis kommt alljährlich im März aus Marl, und manchmal musste man in den letzten Jahren Angst bekommen, er hätte sich zu Tode etabliert: Die Verleihung des Adolf-Grimme-Preises lief zu später Stunde bei 3sat. Zuletzt hatte Roger Willemsen die Dauerkarte für Moderation inne, die ausgezeichneten Fernsehschaffenden ähnelten sich alle Jahre wieder – erste Gefühle vom Murmeltiertag waren schwer zu leugnen. Und auch die Antworten manch Grimme-Verantwortlicher auf Fragen nach der mächtig neuen Konkurrenz namens Deutscher Fernsehpreis wirkten eher trotzig als souverän. Mit all dem soll jetzt Schluss sein. Weg von den „dunklen Tiefen einer nächtlichen Kulturveranstaltung“,will Grimme-Chef Bernd Gäbler, und an die Adresse der teuren Konkurrenz in Köln gibt’s eine Ladung Selbstbewußtsein: „Der Deutsche Fernsehpreis soll der große populäre, glamuröse Fernsehpreis werden, wir als Adolf-Grimme-Preis haben dann eine Komplementärfunktion: Wir sind upgrade und werden auch so bleiben.“
Der endgültige Weg in die Nische der hohen TV-Kunst? – Weit gefehlt, „wir müssen raus aus dem Ghetto der Kritikerselbstbeschäftigung“, sagt Gäbler. Die angeblich öffentlich-rechtliche Voreingenommenheit der Grimme-Juries, die spitzen Finger beim Verhandeln privater Programmstoffe, „das sind wir nicht“, erklärt der ex-Medienredakteur der Woche, der seine eigene bunte TV-Vergangenheit ans Adolf Grimme Institut (AGI) mitbringt. Das klingt zwar noch ein bisschen nach gewohntem Grimme-Trotz, doch Gäbler hat auch ziemlich konkrete Visionen: Ein „neues Kapitel im Verhältnis Grimme und private Sender“ möchte er aufschlagen und appelliert an die Preis-Juroren, auch an das Leichte und Populäre stärker heranzugehen: „Gerade weil wir upgrade sind, kommt‘s auf die Mischung an.“
Tatsächlich war man in Marl schon mal weiter: 1997 gab‘s den ersten Preis für Harald Schmidt (Sat.1), 1998 für Nikola (RTL). Während Comedy schon länger auf der Grimme-Agenda steht, spielen die bei den privaten Sendern dominierenden TV-Serien bislang keine große Rolle – auch das soll sich ändern, nichts mehr „durch den Rost fallen“. Von Niveauverlust natürlich keine Spur: Am upgrade-Status des Preises wird nicht gerüttelt, die Geschäftsführer von RTL und Sat.1 bekamen beim ersten Besuch des neuen AGI-Geschäftsführers Gäbler zunächst ein fröhliches „Wir laufen euch nicht hinterher“ zu hören – und dann „qualitative Hilfe“ angeboten.
Unabhängigkeit ist eben die edelste Tugend des Grimme-Preises und seines Instituts. Ein bisschen Chuzpe gehörte schon dazu, in diesem Jahr die ARD-Großproduktion „Jahrestage“ leer ausgehen zu lassen. Sie kann sich am Samstag immerhin Hoffnung beim Deutschen Fernsehpreis machen. Schließlich habe der so viele Kategorien, sagt Gäbler – es sind 20 feste und neun fakultative–, „dass es schon strukturell schwierig ist, dass ein Sender nichts abkriegt“. Und wenn beim DFP wieder viel bereits mit Grimme Ausgepreistes noch einmal bedacht wird? „Ist das ein Lob unser Arbeit.“ – Friedliche Koexistenz der Fernsehpreise also, Upgrade-Grimme und Glamour-DFP.
Letzteres bleibt allerdings abzuwarten. Wobei einen die Ahnung beschleicht, das anlässlich der DFP-Gala herbeigemunkelte „Aufeinandertreffen“ der in amurösen Verstrickungen verfeindeten einstigen Busenfreundinnen Sabine Christiansen und Ulla Kock am Brink (von dpa einer Meldung für würdig befunden und sogar mit eigener Meldung wieder dementiert) wäre als Glamour durchgegangen. Frau am Brink muss am Samstag aber die Pilotausgabe ihrer neuen ARD-Fernsehshow drehen. Titel: „Ich setz’ auf dich.“ Na bitte.
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