: Billiger heizen mit Weizen
Ein umstrittener Brennstoff wird populär: Korn. Eine Heizung kann jeder Schmied bauen. Anbau auch auf Flächen möglich, die nicht mehr benötigt werden. Doch ist es legitim, Getreide zu verbrennen?
Der Starnberger Landwirt Franz Pentenrieder glaubt an einen neuen Brennstoff. Aus technischer Sicht sei dieser problemlos nutzbar: „Eine Heizung dafür kann jeder Dorfschmied zusammenbauen. Und wirtschaftlich interessant ist der Brennstoff seit dem Anstieg der Ölpreise auch. Das Problem liegt auf einer anderen Ebene: „Es traut sich niemand, ihn zu nutzen.“ Denn der Brennstoff lässt vielerorts ethische Bedenken aufkeimen: Es ist Getreide.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Thema hochkochen musste. Denn die Erkenntnis, die Pentenrieder auch auf seiner Internetseite präsentiert, ist jahrzehntealt: „Die Preisuntergrenze der Agrarprodukte wird von ihrem Heizwert bestimmt.“ Erstmals wird diese Erkenntnis nun relevant: Der Verfall des Weizenpreises und der gleichzeitige Anstieg des Ölpreises haben dazu geführt, dass die Kilowattstunde Wärme aus dem Weizenfeuer heute billiger ist als jene aus Öl. Logische Reaktion des Marktes: Weizen wird Brennstoff.
Pentenrieder sieht die Getreideheizung nüchtern: „Wo ist der Unterschied?“, fragt er – und verweist darauf, dass man auch bei der Vergärung von Silomais in der Biogasanlage und ebenso bei der Verbrennung von Rapsöl im Dieselmotor Lebensmittel energetisch nutzt. Ein ganz gewöhnlicher Vorgang also, auch Weizen zu verbrennen?
Die Aufruhr beruht mehr auf psychologischen als auf rationalen Bedenken. Denn das Thema Heizen mit Weizen ist lediglich plakativer und rührt daher stärker an Emotionen als die Vergärung von Silomais. Beim Weizen nämlich gehe es „um ein Ur-Lebensmittel“, wie Thomas Forstreuter, Energiereferent beim Deutschen Bauernverband, weiß. Und damit tangiere das Weizenfeuer die „moralisch-ethische Grundhaltung vieler Menschen stärker als die energetische Nutzung anderer Lebensmittel“. Da aber der Bauernverband andererseits die Energiegewinnung aus Biomasse „grundsätzlich sehr unterstützt und fördert“, habe man sich im Verband noch nicht auf eine eindeutige Position zur Getreideheizung geeinigt, sagt Forstreuter.
Ähnlich unentschieden ist bisher auch die Position der Bundesinitiative BioEnergie (BBE): „Das birgt Sprengstoff“, sagt BBE-Sprecher Bernd Geisen, „das ist ein sehr sensibles Thema.“ Aber auch er räumt ein, dass es Argumente gebe für den Anbau von Energiegetreide auf ansonsten brachliegenden Flächen. Oder soll man beim Anbau von Energiepflanzen auf Stilllegungsflächen nur auf nicht essbare Pflanzen zurückgreifen, selbst wenn Erträge geringer sind?
Erste Anbieter für das „neue“ Korn gibt es bereits. „Energiegetreide – Die ganze Kraft der Natur“, wirbt die Firma Stückrad aus Rotenburg an der Fulda. Bedenken weist Karl-Heinz Stückrad zurück: „Getreide ist ein nachwachsender Rohstoff, und das bleibt er auch“ – und genau deswegen propagiere er das Energiegetreide. Der Unternehmer setzt auf Triticale, eine durch Kreuzung von Weizen und Roggen vor bereits 100 Jahren gezüchtete Getreideart: „Da sind die Erträge am größten.“
Das Korn werde angebaut „auf landwirtschaftlichen Flächen, die auf Grund ihrer Struktur oder der internationalen Marktsituation nicht zur Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten im herkömmlichen Sinne genutzt werden“, heißt es bei Stückrad. Um Verwechslungen auszuschließen werde das Energiegetreide schon bei der Ernte blau eingefärbt. Zum Kunden kommt es per Silowagen.
Auch im Zentrum für nachwachsende Rohstoffe im Landwirtschaftszentrum Haus Düsse im nordrhein-westfälischen Bad Sassendorf laufen Tests zur Getreideverbrennung. Karsten Block vom Haus Düsse rechnet vor, dass selbst bei extensiver Nutzung auf einem Hektar Acker im Landesteil Westfalen-Lippe ein Äquivalent von 3.600 Liter Öl gewonnen werden kann.
„Der erste Gedanke daran, Getreide zu verbrennen, ist immer abschreckend“, weiß auch Block. Doch weil „weitere Einbußen im Preis zu befürchten“ seien, sei es „legitim, sich neben dem Absatzmarkt Brotgetreide und Futtergetreide auch die energetische Verwertung näher anzusehen“. Block rechnet vor: Bei einem Heizölpreis von 80 Pfennig pro Liter und einem Getreidepreis von 20 Pfennig je Kilogramm kostet die Wärme aus der Getreideheizung 41 Prozent weniger als die Wärme aus der Ölheizung.
Diese Fakten sind es, die das Getreidefeuer – ob man will oder nicht – voranbringen werden. So ist das eigentlich Bedenkliche der niedrige Getreidepreis. Denn darin, formuliert Block, drücke sich die geringe „Wertschätzung von Lebensmitteln“ aus. Und nicht darin, was man mit dem Getreide macht. B. JANZING
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