: Mehr Transparenz auch für die Steckdose
Kennzeichnungspflicht für den Strommix: Einige Länder kennen sie bereits, und auch in Deutschland werden die Forderungen danach lauter. In einem ersten Schritt könnte die Zusammensetzung auf der Stromrechnung erklärt werden. Widerstand kommt von der konventionellen Stromwirtschaft
Anzeigen von Stromversorgern könnten in Zukunft deutlich informativer werden. Etwa mit einem Zusatz wie diesem: „Der Umweltminister warnt: Der Strom dieses Versorgers enthält zu 60 Prozent Atomenergie. Außerdem belastet jede Kilowattstunde das Klima mit 0,3 Kilogramm Kohlendioxid.“
Derartige Markttransparenz ist zwar noch fern. Doch immer lauter werden in Deutschland die Forderungen, Stromversorger zur Offenlegung ihres Strommixes zu verpflichten. In einem ersten Schritt könnte das auf den Stromrechnungen geschehen. „Auf jeder Kekspackung muss draufstehen, was drin ist. Beim Produkt Strom jedoch dürfen Händler ihre Kunden im Dunkeln darüber lassen, aus welchen Kraftwerken sie ihren Strom einkaufen“, stellt Greenpeace auf Aktionspostkarten an Bundeswirtschaftsminister Werner Müller fest. Die Forderung daher: „Kennzeichnungspflicht jetzt!“
Andere Länder sind in dieser Sache schon weiter. In Oberösterreich wurde zum 1. Oktober eine Deklarationspflicht eingeführt. „Jeder Kunde wird dann mit seiner Stromrechnung eine Übersicht über den gelieferten Strommix bekommen“, sagt Christiane Egger vom Oberösterreichischen Energiesparverband, einer landeseigenen Energieagentur.
Die organisatorische Abwicklung hat man in Oberösterreich sehr pragmatisch geregelt. Die Stromkonzerne müssen gegenüber einer Art Regulierungsbehörde nachweisen, von welchen Kraftwerken sie welche Mengen Strom beziehen. Wer die Quellen nicht belegen kann, bekommt den westeuropäischen Mix angerechnet. „Und der“, sagt Christiane Egger, „ist wirklich nicht gut.“
Auch in der Schweiz ist die Diskussion schon fortgeschritten. In dem neuen Elektrizitätsmarktgesetz, dem das Parlament bereits zugestimmt hat, heißt es in Artikel 12: „Zum Schutz der Endverbraucherinnen und -verbraucher kann der Bundesrat Vorschriften über die Kennzeichnung von Elektrizität erlassen, insbesondere über die Art der Elektrizitätserzeugung und die Herkunft der Elektrizität.“ Am 2. Dezember wird das Volk über das Gesetz abstimmen – und zustimmen, wie Adrian Lüthi vom Bundesamt für Energiewirtschaft vermutet.
Auch in den USA gibt es Staaten, die eine Kennzeichnung vorschreiben. In Kalifornien gibt es seit Herbst 1998 das „power content label“. Es verpflichtet die Stromversorger Kaliforniens, auf allen Werbeunterlagen ihren Strommix zu veröffentlichen. Zudem sind sie verpflichtet, ihren Kunden vierteljährlich eine Übersicht über die Zusammensetzung des Stroms zukommen zu lassen. Und der Sonnenstaat an der Westküste ist nicht der einzige in den USA: „In 10 Staaten gibt es solche Label“, weiß Greenpeace-Energieexperte Sven Teske. Und 13 weitere bereiteten ähnliche Label vor.
Aus der deutschen Stromwirtschaft kommt erwartungsgemäß Widerstand: Der Verband der Elektrizitätswirtschaft VDEW schreibt, er lehne „die Spezifizierung des Energiemixes auf den Kundenrechungen kategorisch ab“. Skeptisch äußert sich auch Wolfgang Prangenberg, Sprecher des Verbandes Kommunaler Unternehmen: Man suggeriere eine Transparenz, die letztlich nicht vorhanden sei. Erst recht im Zeitalter von Strombörsen werde der Weg des Stroms immer weniger nachvollziehbar.
Greenpeace kontert: Auch die USA haben Strombörsen. Somit sei deren Existenz als Argument gegen eine Kennzeichnungspflicht nicht haltbar. Ohnehin rät die Umweltorganisation zu einem eher pragmatischem Vorgehen. „Wenn man in Einzelfällen nicht eindeutig nachweisen kann, aus welchem Kraftwerk ein Unternehmen Strom bezieht, legt man einfach den Mix des Lieferanten zu Grunde“, schlägt Sven Teske vor.
Unterstützung kommt auch von den Bündnisgrünen. „Wir finden das richtig und gut“, sagt deren energiepolitische Sprecherin Michaele Hustedt. Denn eine Publikationspflicht auf der Stromrechnung oder im Internet sei ein „demokratisches Element“ und daher ganz im Sinne der Verbraucher.
Allerdings werden Atomfirmen, die sich mit Ökostrom-Angeboten das Image reinzuwaschen suchen, wenig Freude an dem Label haben. „Logischerweise müsste die Deklaration unternehmensspezifisch vorgenommen werden“, so die Politikerin Hustedt. Das heißt: Ein Unternehmen, das unterschiedliche Stromqualitäten anbietet, müsse die Durchschnittsdaten aller Lieferungen angeben. Ansonsten seien die Manipulationsmöglichkeiten zu groß.
Allerdings ist es Greenpeace zu wenig, wenn Stromversorger ihre Daten nur auf der Stromrechnung angeben müssen. „Wir wollen den Mix auch auf Werbetafeln am Straßenrand veröffentlicht sehen“, sagt Sven Teske. Und das sollte weder zu klein noch zu akademisch oder zu kompliziert geschehen: „Wer mit 40 Stundenkilometern an der Plakatwerbung eines Stromversorgers vorbeifährt, muss sofort erkennen können, welchen Strommix das Unternehmen anbietet.“ BERNWARD JANZING
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