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ANTI-TERROR-PAKET: OTTO SCHILY RÜTTELT AM LIBERALEN RECHTSSTAATWeg in den Sicherheitsstaat

Noch ist die Tinte seines ersten Anti-Terror-Pakets vom 19. September nicht trocken, da legt Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bereits ein zweites Maßnahmenbündel vor. Wenn es verabschiedet wird – und daran ist bei der gegenwärtigen aufgeheizten Atmosphäre kaum zu zweifeln – wird sich die Bundesrepublik verändern. Um den internationalen Terror zu bekämpfen, rüttelt Schily an allen Pflöcken des liberalen Rechtsstaats.

Der Kontrollradius des Bundesgrenzschutzes soll für jederzeitige Personenüberprüfungen ausgedehnt werden. „Initiativermittlungen“ sollen den Anfangsverdacht für polizeiliche Ermittlungen ergänzen. Damit kann sich das Bundeskriminalamt (BKA) mögliche Taten und Täter künftig selbst suchen. Folgerichtig soll die rechtlich bedenkliche Kronzeugenregelung aus der richterlichen Verantwortung genommen und dem Generalbundesanwalt übergeben werden. Im Tauschgeschäft Aussage gegen Strafrabatt entscheiden damit die Ermittler selbst über den Wert von Fahndungserfolgen. Auch vor innenpolitischen Tabuthemen wie der Trennung von Polizei und Geheimdiensten schreckt Schily nicht mehr zurück. Systematisch sollen BKA, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst ihre Informationen austauschen dürfen. Die Balance zwischen notwendigen Sicherheitsmaßnahmen und bürgerlichen Freiheitsrechten hat der Minister längst verloren.

Am härtesten trifft es all jene, die keine deutsche oder zumindest EU-Staatsbürgerschaft besitzen. Über sie zu sammelnde Daten sollen erheblich ausgeweitet und für den Zugriff der Behörden jahrelang zentral gespeichert werden. Hierzu müssen sie nicht einmal deutschen Boden betreten. Schon der Visumantrag im Heimatland reicht. Wer es dennoch hierher schafft, kann schnell wieder draußen sein. Der bloße Verdacht auf extremismistische Neigungen soll ausreichen. Auf dem rasanten Weg in einen autoritären Sicherheitsstaat lässt sich Schily von keinem überholen.

OTTO DIEDERICHS

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