: Kein Mittel gegen Terrorismus
Das Bankgeheimnis ist nicht nur in der Bundesrepublik schon lange durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Bislang fehlte der politische Wille zur Fahndung in Banken und Börsen
Im Kampf gegen den Terrorismus ist für Bundeskanzler Schröder das Bankgeheimnis kein Tabu mehr. Zustimmung erhielt der Kanzler vom grünen Koalitionspartner. Den Worten folgten am Freitag konkrete Ankündigungen: Finanzminister Eichel will sämtliche Bankkonten in einer Zentralstelle beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) erfassen und das Bankgeheimnis aufweichen. Eine gute Idee, die jedoch gegen Terroristen wirkungslos ist.
Dabei könnte sich die Bundesrepublik ausgerechnet an den USA ein Beispiel nehmen. Dort gibt es nämlich so gut wie kein Bankgeheimnis. Und auch das schweizer Bankgeheimnis – 1933/34 zur Verhinderung deutscher Fiskalschnüffeleien eingeführt – gilt mittlerweile als „Emmentalerkäse“ (Neue Zürcher Zeitung). Wenn sich dagegen führende deutsche Bankiers zum Bankgeheimnis äußern, klingt es so, als ob dieses geradezu Verfassungsrang hätte. Tatsächlich ergibt sich das Bankgeheimnis ganz banal aus dem Vertrag zwischen Kunde und Bank, der beispielsweise für ein Girokonto abgeschlossen wird. Eine gesetzliche Grundlage hat es keineswegs, lediglich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die jeder Bankkunde akzeptieren muss, findet sich dazu der maßgebliche Passus.
Dubiose Kontenbewegungen, Millionenüberweisungen oder ein dickes Minus auf dem Girokonto werden dadurch vor Polizei, Finanzamt und neugierigen Nachbarn geschützt. Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch wird das Bankgeheimnis gerne von den Banken selbst durchlöchert: Auskünfte an Schufa, Kreditversicherer oder andere Institute sind gang und gäbe – und legal. Wer sich als Kunde gegen eine solche Weitergabe seiner persönlichen Daten sperrt, hat seinen Kredit schon verspielt.
Zudem sehen die AGB vor, dass Informationen weitergegeben werden, wenn „gesetzliche Bestimmungen“ dies fordern. So können Aufsichtsamt und Bundesbank Auskünfte verlangen, außerdem sind Banken in juristischen Strafverfahren zur Auskunft verpflichtet. Ebenso durchlöchert wird das Bankgeheimnis von den Finanzbehörden. Die Abgabenordnung (AO), der gesetzliche Rahmen des Steuerrechts, sieht zwar keine allgemeine Kontenüberwachung vor. In konkreten Steuerfällen jedoch muss die Bank wichtige Informationen herausrücken.
Gänzlich fällt das Bankgeheimnis in (Steuer-) Strafverfahren. Dann ist laut einem Urteil des Bundesfinanzhofes sogar eine Art von Rasterfahndung möglich. Noch weniger zählt das Bankgeheimnis für Mitarbeiter von Bundesbank, Aufsichtsämtern und Börsen. Ihnen erlaubt das Kreditwesengesetz (KWG) die Weitergabe von „Tatsachen“ an Strafverfolgungsbehörden oder sogar an Gerichte, die nur wegen eines Bußgeldverfahrens anfragen. Dabei können sich solche Stellen auch in „anderen Staaten“ befinden. Die deutsche Finanzaufsicht hätte also längst Informationen über die Finanztransaktionen des Bin-Laden-Netzwerkes (wenn dessen Knotenpunkte denn bekannt wären) sammeln und an die US-Justiz übermitteln können. Für solche Aufklärungsaktionen mangelte es schon bislang nicht an gesetzlichen Möglichkeiten, sondern hauptsächlich an deren entschlossener Nutzung!
In der Bundesrepublik fehlte bislang der politische Wille, um die Löcher des Bankgeheimnisses kriminalistisch wirklich zu nutzen, und auch viele Gerichte schöpfen die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus. Zudem behindern sich Behörden gegenseitig, wird der Informationsfluss zwischen Bundesländern und dem In- und Ausland gebremst. Will ein deutsches Amt eine sekundenschnelle Finanztransaktion in die Niederlande verfolgen, dauert die dafür notwendige Genehmigung aus dem Nachbarland sechs Monate.
Der Kampf gegen das Bankgeheimnis greift viel zu kurz. Terror, Kriminalität und Steuerhinterziehung haben sich längst eine weiße Weste übergezogen und nutzen legale Unternehmen und sogar Konzerne für ihre Transaktionen. Andere Kriminelle nutzen „Hawalas“. Unterhalb der offiziellen Bankenbranche hat sich nämlich in Europa und den USA eine monetäre Schattenwirtschaft entwickelt, deren Hauptaufgabe darin besteht, unbemerkt durch staatliche Instanzen, Geld von einem Land in ein anderes zu transferieren. Experten nennen dieses finstere Finanzreich „Hawala-Banking“. Solche Schattenbanken basieren auf blindem gegenseitigem Vertrauen und sind meistens „ethnisch abgeschottet“, heißt es im Bundesaufsichtsamt. Hawalas sammeln das Geld ihrer Kunden ein und schmuggeln es per Kurier ins Ausland oder verrechnen offenstehende Positionen mit befreundeten „Banken“ im Clearingverfahren. Solche Wege nutzte wohl auch die Bin-Laden-Gang.
Der Zahlungsverkehr per Hawala wird ergänzt durch legale internationale Finanzoasen, über die das kriminelle Kapital in den normalen Geldkreislauf einmündet. Jahrzehntelang haben Steuerbetrüger und andere Kriminelle nahezu unbehelligt vom Staat ihre Millionen mit Vorliebe in die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und – wenig bekannt – auch nach Österreich gebracht, das mit einem harschen Bankgeheimnis und anonymen Nummernkonten bis vor kurzem unter Kennern überaus beliebt war. Inzwischen haben diese Länder unter dem politischen Druck der USA und Europas ihre Geheimniskrämereien lockern müssen oder stehen wie Liechtenstein kurz davor. Trotzdem existieren noch genügend Finanzoasen für schmutziges Geld in anderen Ländern mit lascher Finanzaufsicht. Die 1989 von den führenden Industriestaaten gegründete Financial Action Task Force (FATF) nennt 19 Länder, die für kriminelles Kapital offen sind. Und diese liegen keineswegs „in der Karibik“, sondern heißen Ungarn, Ägypten, Israel, Russland oder Philippinen. Russland lenkt auf Druck der OECD nun ein, die Philippinen haben Ende September Geldwäsche formal verboten – aber das sind erst einmal bestenfalls symbolische Akte.
Dass die meisten Finanzoasen immer noch nicht trocken gelegt wurden, liegt auch an ihrer Funktion als globale Kapitalsammelstelle. Gerade die Vereinigten Staaten sind auf einen stetigen Fluss ausländischen Kapitals angewiesen, um ihr notorisches Handelsdefizit zu decken. Daher scheint es so, dass die USA zumindest bis zum 11. September über einige Finanzoasen wie die Cooks-Inseln, Grenada oder St. Vincent ihre schützende Hand gelegt haben.
Wenngleich Eichels Vorschläge am Terrorismus vorbeizielen, könnten sie doch treffen. Steuerhinterziehern könnte es endlich an den weißen Kragen gehen. Das befürchten auch Banken, Sparkassen und Steuerberater: Hier würden unter dem „Deckmantel der Terrorismusbekämpfung“ Bürger verfolgt, die doch lediglich ihre luxemburgischen Zinsgewinne am deutschen Fiskus vorbeischleusen, klagen sie und belegen ihr phantastisches Rechtsverständnis. Diesen rücksichtslosen Volkssport der Wohlhabenden zu stoppen, wäre auch ein Volltreffer. Aber ob der Kanzler das will? HERMANNUS PFEIFFER
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