: Sicherer geht‘s nicht mehr
Der Senat befürchtet keine Terroranschläge, aber gewalttätige Demonstranten. Er hat die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt „nochmals hochgefahren“: mit verstärktem Objektschutz, mehr Streifen und Kontrollen. Der CDU geht das nicht weit genug
von PLUTONIA PLARRE und ROLF LAUTENSCHLÄGER
Den Eindruck von Aktivität verströmen: Darauf schienen sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) verständigt zu haben, als sie nach der Bombardierung von Militäreinrichtungen des Taiban-Regimes in Afghanistan durch die USA und Großbritannien gestern vor Presse traten. Es gebe keine Hinweise auf geplante Terroranschläge im Bundesgebiet und Berlin und somit auch keinen Grund zur Beunruhigung, sagte Wowereit. Trotzdem seien die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt „nochmals erhöht“ worden – sozusagen „prophylaktisch, um gewappnet zu sein“, so der Regierende Bürgermeister.
Wenn es eine Gefahr gebe, dann die, dass es bei den zu erwartenden Anti-Kriegs-Demonstrationen der nächsten Tage und Wochen zu gewalttätigen Ausschreitungen komme, sagte Körting. „Insbesondere aus dem linksautonomen Spektrum“ sei mit entsprechenden Aktionen zu rechnen. Dafür, dass die Anhänger der in Berlin lebenden extremistischen Islamisten Gewaltaktionen planten, gebe es zurzeit keine konkreten Erkenntnisse. „Das kann sich aber schnell ändern, wenn es in Afghanistan zu erheblichen Verlusten kommt“, so Körting. Zugleich rief der Innensenator die in Berlin lebenden 200.000 Muslime dazu auf, „gemeinsam für den Frieden in der Hauptstadt einzutreten“.
Nach Auskunft Körtings sind vom Verfassungsschutz über den Staatsschutz und die Schutzpolizei die Sicherheitskräfte der Stadt auf alle Eventualitäten vorbereitet. Nicht nur der Objektschutz rund um die Einrichtungen besonders betroffener Staaten wie der USA, Großbritanniens und Israels sei nach Bekanntwerden des miltitärischen Gegenschlags sofort verstärkt worden. „Hochgefahren“ worden sind Körting zufolge auch die Raumschutzmaßnahmen. Verstärkte Patrouillen von Funkstreifen „sollen mögliche Zusammenrottungen von gewalttätigen Aktivisten erkennen und im Keim ersticken“.
Die einschneidenste Maßnahme, die der Innensenator gestern ankündigte, ist die Durchführung von stadtweiten Sonderkontrollen. Die „verdachtsunabhängigen Fahrzeug- und Fußgängerkontrollen“ an schnell wechselnden Standorten sollen dazu führen, dass „potenziell gewaltbereite Täter verunsichert werden“, so Körting. Damit verbundene Einschränkungen für die Bevölkerung seien nicht zu vermeiden. Jeder Bürger sei gut beraten, den Ausweis dabeizuhaben. Auf Dauer seien die Sicherheitsmaßnahmen von der Polizei – trotz Unterstützung vom Bundesgrenzschutz – allerdings nicht leistbar, betonte Körting. Wenn dies über Monate so gehe, seien die stillen Reserven aufgebracht. An einen Einsatz der Bundeswehr zum Objektschutz sei aber nicht gedacht, versicherte Wowereit.
CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel begrüßte gestern die von Wowereit und Körting beschlossenen Maßnahmen ebenso wie die Bereitschaft des Senats, alle Fraktionen zur Sicherheitslage in der Stadt zu konsultieren. Die Anstrengungen des Senats, so Steffel, reichten jedoch nicht aus. Weder sei vorgesehen, personell, finanziell oder sachlich neue Programme aufzulegen, noch seien „Gesetzesänderungen geplant, mit denen die Sicherheitslücken geschlossen werden könnten“.
Der CDU-Fraktionschef verwies noch einmal auf das 21-Punkte-Sofortprogramm der Union, in dem eine Aufstockung der Mittel und des Personals für die Polzei sowie Maßnahmen zur „Abschiebung krimineller Ausländer“ gefordert werden. Die derzeit angespannte Sicherheitslage verpflichte dazu, alle Sicherheitsmaßnahmen eines Rechtsstaats auszuschöpfen.
Zugleich warf die CDU der Regierung vor, „hektisch und auf Aktionen bedacht agiert“ zu haben, weil das von der CDU geforderte Sicherheitspaket bislang abgelehnt wurde. Vor allem solle davon abgelenkt werden, „dass der Senat von einer instabilen parlamentarischen Mehrheit gestützt wird“, wobei insbesondere die Grünen „den Schlag der internationalen Staatengemeinschaft nur wenig mittragen“, kritisierte Steffel.
Roland Gewalt, innenpolitischer Sprecher der CDU, forderte darüber hinaus, die verdachtsunabhängigen Kontrollen „mit der Polizei in Brandenburg und dem BGS abzustimmen“. Zugleich müsse die Berliner Polizei dafür nach dem Vorbild Bayerns mit speziellen Fahndungsmobilen ausgerüstet werden.
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