Mit Panzern aus der Sowjetzeit gegen die USA

Die Taliban werden bald Nachschubprobleme bekommen. Doch wenn sie die Kontrolle der Städte verlieren, sind sie noch nicht besiegt. Im Guerillakampf kennen sie das Terrain

BERLIN taz ■ Im Vergleich zu den Hightech-Waffen der US-Amerikaner und Briten sind die afghanischen Taliban militärisch schlecht gerüstet. Zwar haben sie laut des britischen Fachinformationsdienstes Jane’s Defence Weekly insgesamt 650 Panzer und Panzerfahrzeuge. Doch diese stammen wie die Raketenwerfer, Kanonen und Flugabwehrgeschütze sowie etwa 20 schwere Raketen sämtlichst noch aus sowjetischen Beständen.

Die Waffen fielen nach dem Sturz des kommunistischen Statthalters Nadschibullah 1992 in die Hände der Mudschaheddin, die sie wiederum ab 1994 an die Taliban verloren. Diese verfügen auch noch über 15 Kampfflugzeuge vom Typ Mig-21 und SU-22, sowie zehn Hubschrauber. Ansonsten sind Kalaschnikows und panzerbrechende Bazookas die Standardwaffen der Taliban.

Für die USA und ihre Verbündeten dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie die veraltete militärische Hardware der Taliban mit Marschflugkörpern und Bomben entscheidend geschwächt haben. Auch werden die Taliban wegen der internationalen Isolation des Landes keinen Nachschub an schweren Waffen bekommen. Sie könnten bald auch nicht einmal mehr genug Treibstoff für ihre Panzer und Flugzeuge haben.

Dennoch werden die Probleme für die „Anti-Terror-Allianz“ erst nach Ausschaltung der schweren Waffen der Taliban richtig beginnen. Denn deren auf 45.000 bis 60.000 Kämpfer geschätzten Truppe dürften sich dann mehr und mehr auf Guerilla-Taktiken verlassen, bei denen sie vor allem die Vorteile des ihnen vertrauten schwierigen Berggeländes für sich ausnutzt. Die Verluste ihrer Gegner dürften steigen, je niedriger diese fliegen müssen oder erst recht, wenn diese Bodentruppen einsetzen.

Beim Einsatz von Hubschraubern und niedrig fliegenden Kampf- und Transportflugzeugen müssen die Amerikaner Angst vor Stinger-Luftabwehrraketen haben. Diese tragbaren und von der Schulter abzufeuernden Geschosse hatten die USA in der zweiten Hälfte der 80er Jahre an die gegen die sowjetischen Invasoren kämpfenden Mudschaheddin geliefert, die damit kriegsentscheidende Vorteile erringen konnten. Zwar versuchte die CIA nach dem Abzug der Sowjets die Stinger-Raketen für 80.000 Dollar pro Stück wieder zurückzukaufen. Doch 50 bis 100 verblieben in den Händen der Taliban.

US-Experten verweisen zwar darauf, dass diese Raketen kaum gewartet sein dürften und zudem über ein Freund-Feind-Erkennungssystem verfügten, das den Abschuss eigener Flugobjekte verhindere. Doch ob die Stinger für die Taliban wirklich unbrauchbar sind, muss sich erst zeigen.

Die kampferprobten Taliban verfügen über den Erfahrungsschatz, den die Mudschaheddin in den 80er Jahren gegen die Sowjets gewonnen haben. Bei einem Rückzug in die schwer zu kontrollierenden Berge von bis zu 5.000 Meter Höhe könnten sie den Angreifern ähnlich schwere Verluste zufügen wie damals die Mudschaheddin den Sowjets. Sollten sie die Kontrolle über die Städte verlieren, wären die Taliban also noch längst nicht besiegt.

Bei ihrem Siegeszug 1994 bis 1996 haben die Taliban große Geländegewinne ohne Kampfhandlungen erzielt, indem sie lokale Guerillaführer auf ihre Seite ziehen konnten. Umgekehrt könnten sich jetzt viele lokale Clanführer unter dem äußeren Druck wieder abwenden, was nach Berichten der oppositionellen Nord-Allianz bereits geschieht.

Das miltärische Rückgrat der Taliban sind die auf 8.000 bis 12.000 Mann geschätzten „Ausländer“. Bei diesen oft von Ussama Bin Laden in arabischen Ländern rekrutierten islamistischen Freiwilligen handelt es sich um hochmotivierte und gut ausgebildete Kämpfer mit den besten Waffen, die den Taliban zur Verfügung stehend. Diese Kämpfer dürften auch für US-Eliteeinheiten in einem Guerillakrieg nur schwer zu besiegen sein.

SVEN HANSEN