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Der Kampf mit dem friedlichen Chaos

Redner sagten ab, NPD will mitmarschieren. 30.000 Kriegsgegner morgen zur Friedensdemo erwartet

Da standen sie nun, fröstelnd im Nieselregen und vor einer maulenden Journalistenschar. Eine Pressekonferenz ohne gemütlichen Presseraum. Aber dann durften die Veranstalter der Friedensdemonstration doch noch im Bundespresseamt informieren, wenn auch nur im Flur neben dem Lastenaufzug. „Bezeichnend, dass so ein wichtiges Thema vor der Tür bleibt“, meinte Mitorganisatorin Laura von Wimmersperg. Die Szene veranschaulicht jedoch das Chaos, welches die Veranstalter in den vergangenen Tagen zu verwalten hatten: Fast 40 Träger, 60 Unterstützerorganisationen – eine bunte Mischung kirchlicher, gewerkschaftlicher und sonstiger linker und friedensbewegter Bündnisse mit unterschiedlichen Zielen.

Wenig verwunderlich, dass der unfreiwillige Ausschluss aus dem Presseamt nicht die einzige Panne blieb. So sollte als prominenter Redner der Schriftsteller Stefan Heym auf der Abschlusskundgebung auftreten – allein ihm fehlte die Lust: Er habe nie die Absicht gehabt, an der Kundgebung überhaupt teilzunehmen, ließ er gestern knapp wissen. Wegen eines Flugverbotes musste außerdem die amerikanische Abgeordnete Barbara Lee absagen, die im US-Kongress gegen die Angriffe gestimmt hatte. Auf der Rednerliste stehen nun noch die Schauspielerin Käthe Reichel und Joseph Weizenbaum, emeritierter Professor des Massachusetts Institute of Technology.

Hinzu kam gestern eine Solidaritätsbekundung von der falschen Seite – die NPD will ebenfalls mitmarschieren. Es werde jedoch alles dafür getan, um sich von den Rechten abzugrenzen, sagte Hans-Peter Richter vom Organisationsbüro. Bei der Polizei sei zusätzlicher Schutz der Friedensdemonstranten angefordert worden.

Auch die Teilnehmerzahl, die in den letzten Tagen auf bis zu 100.000 geschätzt wurde, korrigierte Mitorganisator Peter Strutynski nach unten. „Wir rechnen mit 30.000 Demonstranten.“ Man erwarte Busse aus Hamburg, Leipzig, Köln und dem Ruhrgebiet.

Allen Widrigkeiten zum Trotz sind sich die Veranstalter wenigstens in ihrer Forderung einig: den Stopp der US-Angriffe auf Afghanistan. Der Krieg fordere auch zivile Opfer und schüre den Hass und Terror noch, anstatt ihn zu bekämpfen, so Strutynski. Langfristig müssten weltweit die wirtschaftlichen Ursachen von Elend und Armut beseitigt werden.

Den Stopp der Angriffe forderten ebenfalls rund 200 SchülerInnen, die gestern zum Roten Rathaus marschierten. Auch die PDS hatte dorthin gerufen, allerdings schon am Mittwochabend. 6.000 Menschen folgten und lauschten der Bundesvorsitzenden Gabi Zimmer und dem Berliner Spitzenkandidaten Gregor Gysi. ULRICH SCHULTE

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