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Ziegel als Blendwerk

■ Bunte Dächer sind nicht bei allen Bauämtern erwünscht

Früher sahen alle Hausdächer gleich aus: In mattem Ziegelrot oder schieferschwarz gedeckt. Schon im 19. Jahrhundert deckten echte Ziegel-Mosaike prächtige Bürgerhäuser. Jetzt gibt es seit einigen Jahren wieder Abwechslung im Dächerwald: Einfamilienhäuser, die mit königsblauer oder waldgrüner Bedeckung dezent bunte Farbtupfer in die Landschaft setzen.

Das Neue, immer noch ungewöhnliche: Diese Dächer glänzen, als wäre gerade ein Gewitterguss darauf nieder gegangen, oder schlimmer noch, als hätte gerade jemand literweise Lack über das Haus gegossen. Wie man's findet mag Geschmackssache sein, je nachdem ob man eher traditionell oder modisch bewegt aufs Häusledach guckt.

Aber vielen Beamten ist das Blendwerk ein Dorn im Auge: In einigen Bauämtern formiert sich laut Online-Magazin „baupresse24“ gegen diese Art der Dachbedeckung Widerstand. Dabei scheint der Farbaspekt nicht der Stein des Anstoßes zu sein, sondern die „Blendwirkung“ der Glasierung. „baupresse24“, eine Online-Presseagentur, moniert, dass Dachaufbauten, wie Solaranlagen oder Glas- und Stahlkonstruktionen, ohne weiteres eine Baugenehmigung bekämen, obwohl sie „für ihre teilweise starke Blendwirkung bekannt sind.“

Demgegenüber würde glasierten Ziegeln eine mögliche Belästigung der Nachbarschaft unterstellt. Mehrere Faktoren wie Dachneigung und Einfallswinkel der Sonne müssen schon zusammenkommen, damit ein solcher Dachaufbau Nachbarn oder Passanten ins Auge stechen kann, meinen die Befürworter.

„Nach Auffassung von Bauexperten kann von glasierten Dachziegeln schon auf Grund der zu geringen Lichtreflexion keine Blendwirkung ausgehen. Bei Bauherrn und Planern stößt die amtliche Einschätzung auf völlige Unverständnis“, schreibt „baupresse24“. Inzwischen bieten Ziegelfirmen sogar den Service an, Musterziegel zuzuschicken – nicht nur, damit Bauherren sich einen authentischen Eindruck von ihrem Wunschdach machen können, sondern vor allem für die gestrengen Damen und Herren in den Bauämtern.

Bei der Bremer Bausenatorin nachgefragt, teilt Pressesprecher Holger Bruns lapidar mit, dass es in Bremen „keine einheitliche Regelung“ dafür gebe.

In der Hansestadt gibt es für einzelne Gebiete Bebauungspläne, die auch schon mal vorschreiben, in welcher Farbe die Dächer aller Häuser gedeckt zu sein haben, aber auch mit welchem Stein Fassaden verklinkert werden müssten, um ein einheitliches Bild zu schaffen. Hierbei geht es aber nicht um Blendeffekte oder andere Belästigungen, sondern, so Bruns, um ästhetische Aspekte. aro

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