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Die markierte Stadt

Stadtmarketing lebt von Markenzeichen, von „Brands“. Doch was macht Städte selbst zur Marke, fragte sich die Werbeindustrie, deren Produktmarken derzeit das Stadtbild beherrschen

von UWE RADA

New York ohne World Trade Center, eine Stadt ohne ihr Symbol, das ist auch eine Aufgabe für die Werbeindustrie. Pall Mall kippt seine Zigarettenwerbung, Hollywood überarbeitet die New Yorker Kulissen der aktuellen Filmproduktionen, ohne dass sich bereits ein neues Image in den Vordergrund drängte.

Was aber könnte ein solches Image sein? Wie entstehen „Brands“, also Markenzeichen in einer Stadt? Können Städte womöglich selbst zu Markenzeichen werden? Diesen Fragen stellte sich gestern auf einer Podiumsdiskussion auch der „Gesamtverband Werbeagenturen“. Thema der Diskussion in Frank O. Gehrys DG-Bank am Pariser Platz: „Cities as Brands“.

Bei manchen Städte muss man gar nicht erst überlegen. Rom ist seit alters die Ewige Stadt, Paris die Hauptstadt des 19. und New York, ob mit oder ohne Twin Towers, die Hauptstadt des 20. Jahrhunderts. Los Angeles schließlich gilt mit seinem urban sprawl als urbane Apokalypse, als Ende alles Städtischen. Wie aber verhält es sich mit weniger symbolgeladenen Städten, zum Beispiel bei Venedig, Barcelona und Berlin?

„Venedigs Markenzeichen war lange Zeit die Lagunenstadt, die magische Stadt am Wasser“, sagte der Architekturhistoriker Marco de Michelis. Wer aber diese unverwechselbare alte Stadt retten wolle, müsse auch den Mut haben, sie zu verändern. Ein Beispiel dieser Veränderung ist für Michelis der moderne Universitätsneubau an der Schnittstelle der mittelalterlichen Stadt zur modernen Industriestadt.

In Barcelona ist die Veränderung selbst schon historisch geworden, etwa im Übergang des Barrio Gótico mit seinen engen Gassen zur Stadterweiterung des 19. Jahrhunderts. Aber auch die jüngste städtebauliche Veränderung durch Olympia 1984 habe das Image der Stadt beeinflusst, sagt der in Barcelona arbeitende britische Architekt David Mackay.

Während man in Barcelona im Zusammenspiel von „Tradition und Moderne“ unverkennbar neue Akzente setzte, geht in Berlin die Reise wieder in Richtung Vergangenheit, wie Senatsbaudirektor Hans Stimmann erläutert. Dreh- und Angelpunkt dabei sei der „Stadtgrundriss als historisches Gedächtnis“. Als Beispiel nannte Stimmann die Bebauung am Brandenburger Tor, diesem, wie er sagte, „Sehnsuchtsbild der Berliner nach klassischer griechischer Schönheit“.

Wer den Gehry-Bau nach derVeranstaltung verließ, sah sich allerdings weniger mit klassischer griechischer Schönheit denn mit der Telekom-Werbung auf dem Brandenburger Tor konfrontiert. Angesichts der zunehmenden „Brandscapes“, der großflächigen Werbung an markanten Bauwerken, hätte das eigentliche Thema nicht „Cities as Brands“, sondern „Brands in the Cities“ lauten müssen. Schließlich tragen die Landmarken von Vodaphone, der Telekom und L’Oréal auf dem Stadthaus, dem Brandenburger Tor und vormals auf der Gedächntiskirche gerade nicht zur Unverkennbarkeit der Städte bei, sondern zu ihrer Unkenntlichkeit.

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