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Dr. in USA

Noch vor der Professur sucht der deutsche Uni-Nachwuchs das Weite – um den Doktor zu bauen

von JAN STERNBERG

Der 26-jährige Martin Steinwand hat sein Ziel klar vor Augen: Nach seinem Magister in Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität möchte er an die Duke University in die USA wechseln – um dort zu promovieren.

„In den USA ist der Promotionsstudent an das ganze Institut gebunden, nicht aber an einen einzelnen Professor“, begründet Steinwand seinen Plan. Es gibt nicht den einen Doktorvater, dem der Promovend auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Ein Komitee betreut die Arbeit – das heißt, man kann viel eigenständiger arbeiten.

Der deutsche „brain drain“, die Abwanderung akademischer Spitzenkräfte, ist in aller Munde. Bildungsministerin Bulmahn (SPD) will jetzt gegensteuern und deutsche Forscher zurücklocken. Sie wirbt mit einer Dienstrechtsreform, die Nachwuchswissenschaftlern schon mit 30 Jahren mehr Eigenständigkeit geben soll – als Juniorprofessoren. 2002 soll es losgehen.

Doch die „Flucht der Forscher“ in die USA beginnt oft schon, bevor der Nachwuchs für die Juniorprofessur reif sind. Viele Absolventen gehen für ihre Doktorarbeit in die USA, weil dort die Bedingungen besser sind.

Die finanzielle Unterstützung für die Projekte der Doktoranden wird im Land der Harvards und Stanfords ganz anders gehandhabt. Über die Forschungsmittel entscheiden die Institute. Das heißt, ein einzelner Professor kann in den USA das Forschungsvorhaben eines Doktoranden nicht nach Gutdünken fördern – oder behindern. Auch der gerade gekürte Physik-Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle hat das erlebt. „In den USA ist es einfacher für junge Forscher, eine eigene Gruppe aufzubauen.“

Vielen Forscher gehen, weil sie in den USA als junge Promovierende ernst genommen werden. Bei Tagungen herrscht eine zumindest äußerliche Gleichberechtigung zwischen altgedienten Profs und „graduate students“. Daneben gibt es Kongresse in Eigenregie, von Studierenden für Studierende organisiert und von US-Unis üppig alimentiert.

Der einsam vor sich hin arbeitende Doktorand ist zwar auch in Deutschland nicht mehr der Regelfall. Häufig wird hierzulande inzwischen nicht mehr im stillen Kämmerlein oder als Assistent eines Professors promoviert, sondern interdisziplinär in so genannten Graduiertenkollegs.

Aber an der deutschen Sehnsucht nach akademischen Autoritäten ändert das scheinbar wenig: „Wenn du hier auf einer Konferenz ernst genommen wirst, dann meist nur, weil du bei einem guten Professor bist“, berichtet die 30-jährige Isabel Heinemann, die in Freiburg promoviert. „Alle Dienstrechtsreformen ändern nichts daran, dass du die Förderung durch einen Professor brauchst. Ohne das bist du in Deutschland nichts!“.

Ein Promotionsparadies sind die US-Unis dennoch nicht. Die Promovierenden müssen dort regelrecht schuften – als billige Arbeitskräfte. Schon als „graduate student“ arbeitet fast jeder als Tutor. Sie heißen „TA“ (Teaching Assistants) oder „GSI“ (Graduate Student Instructors) und bestreiten fast alle Übungen zu den großen Vorlesungen für Studienanfänger. Das gibt Lehrerfahrung – und erhöht den Stress.

In wenigen Tagen 50 Hausarbeiten oder Klausuren korrigieren zu müssen ist keine Freude. Der Termindruck eigener Zwischenberichte und Leselisten wird schließlich nicht geringer. „In diesem Betrieb muss man immer gesund, motiviert und hyperarbeitseifrig sein“, kritisiert Layla Hourani. Die 27-Jährige ist ohne deutschen Abschluss in ein US-amerikanisches „graduate program“ gewechselt. Das einzig Tröstliche ist, meint sie, dass das Arbeitspensum für alle gleich sei: „In den USA könnte es sich kein Professor leisten, nur drei Tage pro Woche in der Uni ansprechbar zu sein.“

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