DIE USA HANDELN AUCH JETZT ALS HEGEMONIALMACHT
: Es gibt Alternativen zum Krieg

Wieder einmal soll es keine Alternativen zum Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten geben – so tönt es seit dem 11. September aus fast allen Kanälen und gestern auch doppelt in der taz. Schon die Art und Weise, wie hier die Gegenseite abgekanzelt wurde („zwanghaft“, „absurd“, „abwegig“), macht stutzig.

Sicher, die Ergreifung Bin Ladens würde allzu verständliche Rachegelüste befriedigen. Die Vorstellung allerdings, so sei der Terrorismus zu beseitigen, ist abenteuerlich. Genau das Gegenteil zeichnet sich ab. Offenbar nehmen die westlichen Regierungen weitere Terrorattacken in Kauf, um die Mehrheit ihrer WählerInnen hinter sich zu bringen. Im Gefolge des Krieges werden Bürgerrechte eingeschränkt und MigrantInnen schikaniert, die Massenpanik steigt, und die Medien zensieren sich selbst. Ins Fäustchen lachen können sich die Kriegstreiber auf beiden Seiten, die Überwachungsfetischisten, Rassisten – und die Rüstungsindustrie.

Auch dass es der US-Regierung nun ausgerechnet um „Rechtsprechung“ gehen soll, ist eine gewagte These, zumal die „Beweise“ für die Urheberschaft al-Qaidas an den Terrorangriffen noch ausstehen. Vielmehr exerziert George Bush II. wieder einmal das Recht des Stärkeren vor, das „Hegemonialrecht“. In der Tat ist nicht zu erwarten, dass Washington von dieser unseligen Tradition abrückt, und genau dadurch dreht es die Gewaltspirale weiter. Für Bushs Vorgehen gilt das Diktum seines Vorgängers aus dem Jahre 1993: Wir intervenieren mit anderen („multilateral“), wenn möglich, und allein, wenn nötig –, und zwar „zur Sicherung des uneingeschränkten Zugangs zu Schlüsselmärkten, Energievorräten und strategischen Ressourcen“. Oder eben zur Bekämpfung von „Terroristen“ und „Schurkenstaaten“. Nichts spricht hingegen dafür, dass die USA in absehbarer Zeit die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs oder andere multilaterale Abkommen ratifizieren. Wer dies zur Kenntnis nimmt, ist deswegen noch lange kein „Antiamerikanist“ – kommen doch einige der scharfsinnigsten KritikerInnen der US-Außenpolitik aus den Vereinigten Staaten.

Am Tag vor den ersten Bombenangriffen auf Afghanistan hat der grüne Länderrat vier Punkte formuliert, für die es sich einzusetzen gelte: „das Völkerrecht, eine Stärkung multilateraler Politik, keine Frontstellung mit der arabischen Welt, kein Krieg gegen die Zivilbevölkerung“. Tragisch ist nicht, dass sich Claudia Roth noch daran erinnert. Eher schon, dass ihr Einspruch ein rein symbolischer bleiben wird. GERHARD DILGER