Genervte Menschenfreunde

■ Nach gut zehn Jahren spielen The Fall wieder einmal in Hamburg. Grund für ein Gespräch unter Freunden – nicht mit, sondern über Englands langlebigste, tja, Indie-Band

The Fall wurden 1977 in Manchester gegründet. Sie gelten als eine der eigensinnigsten und einflussreichsten Bands einer Sparte, die wir der Einfachheit halber ein letztes Mal „Indie“ nennen wollen. taz hamburg-Autor Jan Möller besitzt eine Hand voll Platten von The Fall, die er wiederholt und gern gehört hat. Sein Gesprächspartner Jan Müller spielt Bass bei Tocotronic und hat als DJ Lolek in der Tanzhalle einmal einen ganzen Abend lang nur Musik von The Fall gespielt. Ein Kurzgespräch anlässlich des ersten Hamburger Fall-Auftrittes seit etwa zehn Jahren.

Jan Möller: Erzähl mal von deinem Fall-Abend.

Jan Müller: Der war sehr erquickend, das Ganze funktionierte besser als gedacht. Denn dadurch, dass man so viele Stücke aus verschiedenen Phasen aneinander reiht, fällt einem besonders auf, dass eben nicht alles gleich ist, wie oft behauptet wird.

Trotzdem hätte beispielsweise die aktuelle Platte irgendwann in den letzten 15 Jahren erschienen sein können.

Wahrscheinlich schon. Wenn du den Blindtest mit mir machen würdest, wäre es gut möglich, dass ich bestimmte Fall-Stücke keiner konkreten Platte zuordnen könnte.

Wie bist du denn überhaupt auf die Band gekommen?

Ich hatte vorher nur Punk gehört, Musik, hinter der es kein Mysterium gab. Immer war völlig klar, was da wem gesagt werden sollte und warum das so klang, wie es klang. Alles war total schlüssig. Deshalb fing es auch an, langweilig zu werden. Über die Plattenhüllen bin ich dann auf The Fall gestoßen, ich fand das viel konsequenter als den anderen Kram. Diese Ästhetik: alles so dermaßen hingeschissen. Das haben sie die ganze Zeit beibehalten, jetzt bei der neuen Platte haben sie eben so eine komische, trashige Computergrafik gemacht. Da fragt man sich immer noch, was das soll.

Das Mysterium, von dem du sprichst, ist aber vor allem ein sprachliches und textliches: dieser nordenglische Akzent, die Zischlaute, die sonderbaren Wortkreationen, dazu die anspielungsreichen, offenbar sehr assoziativen Texte, die in den seltensten Fällen eine Ansprache an ein Publikum enthalten.

Ja, und als Nicht-Muttersprachler bekomme ich ohnehin nur Satzfetzen mit. Wobei ich glaube, dass das für Engländer ähnlich kryptisch bleibt. Also, ich weiß wirklich nicht, was mir Mark E. Smith genau sagen will. Ich habe da nur so eine vage Ahnung.

Na ja, im Groben geht es wohl um ein proletarisches Verständnis von Unbestechlichkeit: Polit-Establishment, Musikbusiness, Kolonialisten, Hippies und „Hip Priests“, geht doch kacken.

Klar, man hört diese Haltung, ohne die Texte wirklich verstehen zu müssen. Das Genervtsein, die Nörgelei eines vermeintlichen Misanthropen – im Grunde ist das eher menschenfreundlich.

Ich kenne übrigens fast nur Männer, die sich dafür so richtig erwärmen können.

Irgendwie sind The Fall schon ein Jungsding, auch wenn immer mal wieder Frauen in der Band spielen. Notorische Besserwisserei liegt ja wohl auch eher Männern. Von jemandem, der in der Kneipe neben mir steht, würde ich mir so was auch nicht anhören wollen. Ein toller Song gehört schon dazu.

Seit etwa 1985 werden neue Fall-Platten eigentlich nur noch von Eingeweihten registriert und meist freudig begrüßt. Außerhalb dieser Kreise spielt die Gruppe offenbar keine Rolle.

Zumindest seit ich The Fall höre, scheint es so zu sein. Mir fällt auch bei Plattenkritiken auf, dass die Band immer erst mal erklärt werden muss. Eine interessante Frage: Würde man heutzutage als sehr viel jüngerer Mensch auf die stoßen? Wohl eher nicht.

Jedenfalls nicht wie bei Kraftwerk, auf die sich viele Musiker explizit beziehen. Schließlich haben The Fall keinen klar umrissenen Sound kreiert oder neue Techniken eingeführt, sondern stets von ihren Persönlichkeiten gelebt. Niemand sagt: Ich habe The Fall gehört und dann angefangen, die und die Musik zu machen.

Das stimmt, mit Tocotronic haben wir uns ja auch schon zu The Fall bekannt. Was aber die Gründe betrifft, herrscht bei uns schnell ein Erklärungsnotstand. An unserer Musik kann man das absolut nicht ablesen.

Kannst du dir vorstellen, eine neue Fall-Platte zu hören, als wäre es deine erste?

Auf keinen Fall. Ich bin mir aber sicher, dass es mir wie bei der ersten Platte immer noch ein Rätsel sein könnte, was ich da gekauft habe.

Interview: Jan Möller

Mittwoch, 21 Uhr, Logo