: Siegesgöttin Eugen
Die alten SPD-Männer retten für die Sozialdemokratie noch einmal die Macht ■ Von Peter Ahrens
Ratsweinkeller, nahe Mitternacht. Die Luft ist voller Zigarrenrauch, die Alten sitzen zusammen. Sie machen es noch einmal. Den Karren Sozialdemokratie aus dem Dreck ziehen, dafür sorgen, dass die SPD auch nach der Wahl an der Macht bleibt. Operation Rheingold läuft.
Die alten Männer beugen sich über ein Blatt Papier, es ist die geheime Senatsliste. Offiziell sind CDU, Schill und FDP am Ruder, aber das glauben sie auch nur selbst. Diese Stadt war immer sozialdemokratisch, und eine Wahl ändert daran als Allerletztes etwas, da sind sich die Alten einig. Also springen sie noch einmal in die Br-esche.
Eugen Wagner ist der Erste. Er hat eine undankbare Aufgabe, denn er soll sich künftig um die Kultur in dieser Stadt kümmern, und Kultur bedeutete für ihn bisher vorwiegend die Finkenwerder Spöldeel. Aber was soll's, er muss ran. Er stülpt sich eine blonde Zopfperü-cke über, und tatsächlich: So geht er als Walküre durch. „Du nennst dich ab sofort Nike“, kommandiert der Chef der Operation, Jan Ehlers: Einmal Wagner, immer Wagner. SPD-Geschäftsführer Werner Loewe geht zum Plattenspieler, und während sich die alten Männer Weinbrand nachschenken, ertönt leise der Ring der Nibelungen: Götterdämmerung.
Kultur ist also klar. Bildung auch. Der alte Strippenzieher, Volker Lange, steht dafür parat. So wie er das immer getan hat. „Ein Lange macht alles, wenn er nur das Sagen haben kann“, kommentiert Ehlers genüsslich. Um eine Vornamensänderung kommt der frühere Wirtschaftssenator allerdings auch nicht herum. „Wie wärs mit Rudi? Scharping bin Baden“, scherzt Uli Klose, den bitteren Zug um den Mund kaum verbergend, darüber, dass Scharping ihm den Job des Verteidigungsmisters bis heute verwehrt hat. Okay, Rudolf Lange, klingt doch. Machen wir.
Und jetzt holen die alten Männer zum ganz großen Schlag aus. Sie wollen auch den Bürgermeister haben. Es ist klar: es muss ein Mann von Adel sein. Dohnanyi ist aber ein verdammt auffälliger Name. Da könnten selbst Hamburger RathausjournalistInnen stutzig werden. „Aufs von werde ich nicht verzichten“, macht Dohnanyi zur Bedingung, dass er weiterregiert. Was kurzes, hartes, norddeutsches muss her, statt des weichem Magyarischen. Ein Wort, bei dem niemand Zusammenhänge vermutet: Beust, das ist es. Von Beust.
Es ist spät geworden. Die alten Männer bereiten ihren Aufbruch vor. Die Posten sind verteilt, nur Ehlers selbst hat für sich nichts reserviert. „Ich bleib im Hintergrund, mache den wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU“, sagt er und weiß, dass er von da aus weiter alles im Blick haben kann.
Zum Abschied klopfen sich die alten Männer wortlos lächelnd auf die Schulter. SPD und Opposition? So weit kommt es noch.
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