: Das Gesicht der Vergangenheit
■ ZwangsarbeiterInnen aus der Ukraine erzählen SchülerInnen aus Tenever von ihrer Zeit bei deutschen Unternehmen / Motto: „Erinnern für die Zukunft“
Stille herrscht in der Aula des Schulzentrum Walliser Strasse. Als rund ein Dutzend alte Männer und Frauen ins Scheinwerferlicht treten, werden sie mit lautem Applaus von rund 150 SchülerInnen begrüßt. Die Frauen und Männer sind ehemalige Zwangsarbeiter aus der Ukraine.
„Es gibt schon länger Gruppen an unserer Schule, die sich für ehemalige ZwangsarbeiterInnen einsetzen“, erklärt Holger Möller. Der Lehrer freut sich, „dass die SchülerInnen nun endlich die Möglichkeit haben, direkt mit den Betroffenen zu sprechen“.
Neben Gesprächen stand auch eine szenische Lesung der Theatergruppe über Wernher von Braun auf dem Plan. Von Braun war für die Entwicklung und Produktion von V2-Raketen verantwortlich, die im Zweiten Weltkrieg hergestellt wurden. Für die Herstellung mussten zigtausend Menschen im KZ Mittelbau-Dora arbeiten. 20.000 Menschen kamen dabei ums Leben.
Solch kritische Stücke haben an der Walliser Straße schon Tradition. Im Frühling und Sommer letzten Jahres hatten SchülerInnen ein Stück über Walerjan Wrobel, einen zum Tode verurteilten, 16-jährigen Zwangsarbeiter einstudiert. Das Geld, das sie im Rahmen dieser Aufführungen gesammelt hatten, sollte gestern an Olga Schulimowa aus der Ukraine gespendet werden. (die taz berichtete). 1.300 Mark sollte die ehemalige Zwangsarbeiterin der Wäscherei Oelkers von den SchülerInnen erhalten. Olga Schulimowa konnte die Reise nach Deutschland nicht mehr antreten. Sie ist im Sommer gestorben.
Die Schüler sind empört über das elende Verzögern der Zahlungen. „Frau Schulimowa hatte auch die Entschädigungszahlung der Bundesregierung noch nicht erhalten“, sagt Schülerin Anna Marks. Sie findet schon die Summe der Entschädigung lächerlich – „dass viele dieses bisschen Geld noch nicht mal bekommen, weil sie vorher sterben, ist schrecklich.“
Die Gesprächsrunde verlief dann sehr lebendig. Die SchülerInnen wollten alles über den damaligen Alltag und die Lebensumstände der Gäste wissen. Und diesen sprudelten die Antworten, nach so langem Warten, schnell heraus. Auf die Frage, wie sie sich gefühlt haben, als sie wieder frei waren erzählt einer: „Am 25. April 1945 schien die Sonne, dieser Tag wurde zum schönsten Tag meines Lebens. In der Heimat haben wir den 25. April jedes Jahr groß gefeiert, so froh waren wir.“
Die SchülerInnen emfanden den Besuch durchweg als positiv. Ein Schüler erklärte, die Vergangenheit habe heute für ihn ein Gesicht bekommen. „Man weiß jetzt, für wen man etwas getan hat.“
Melanie Haselhorst
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