: Tutorien, ruhet in Frieden!
Die FU wollte den Semesterbeginn mit Sir Peter Ustinov feiern. Stattdessen sprach Klaus Wowereit. Am Sekttisch holte ihn die jüngste Auseinandersetzung ein: die Streichung der Projekttutorien
von FRIEDERIKE GRÄFF
Bei der Immatrikulationsfeier der FU stand gestern zwischen dem Stand von Hochschulsport und Career Service ein schwarzer Sarg. „R.I.P.“ ist darauf geschrieben, an der Stellwand dahinter hängen Veranstaltungssankündigungen mit dem Vermerk „Frisch gestrichen“. Die Trauer gilt den Projekttutorien. FU-Präsident Klaus Gaethgens hatte jüngst 21 von 40 Stellen für das studentischen Lehrprojekt abgeschafft. „Nur die Politik kann jetzt noch etwas tun“, sagt Annette Malur von der Koordinationsstelle, für die die uniinterne Auseinandersetzung inzwischen abgeschlossen ist. Ihr kommt es daher nicht ungelegen, dass nicht Peter Ustinov, sondern der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit das Wintersemester 2001/02 eröffnet. Der Schauspieler war kurzfristig erkrankt und hatte seinen Festvortrag abgesagt.
Noch bevor Wowereit ans Rednerpult trat, hatte dort Marek Schauer vom Asta äußerst kritische Worte für die Berliner Hochschulpolitik gefunden. „Kämpft für Bildung und den Zugang aller zu ihr“, forderte er die Erstsemester auf. Die Universität dürfe nicht zu „Dienstleistungsinstitution und Karrieresprungbrett“ verkümmern. Stellvertretend für die Tutorienkommission, der keine Redezeit zugestanden worden war, verlas er deren Aufruf. „Freiräume, an dieser Uni als Studierender in Eigenregie akademisch etwas auszuprobieren, wurden in den letzten Jahren systematisch zusammengekürzt“, heißt es darin. Beifall vom Publikum, Beifall auch für Universitätspräsident Gaethgens, den es „juckt“, auf die Vorwürfe zu antworten, der es aber in seiner folgenden Rede dann nicht tat.
„Eigentlich wollte ich mich nicht in die Auseinandersetzung zwischen Präsidium und Studierendenvertretern einmischen“, begann Wowereit, der ohne Manuskript für Ustinov in die Bresche springen musste. Stattdessen sprach er von Hochschulförderung durch die Wirtschaft und Studiengebühren am Tag X.
Unterdessen wird hinten im Saal ein Transparent entrollt: „Wir trauern um die Leidtragenden des Projekttutorien-Programms“, steht dort in schwarzer Schrift. „Es herrscht hier eine gewisse Verzweiflung“, erklärt Annette Malur am Infostand. Letzte Hoffnung der Tutorienvertreter ist ein Brief an Wissenschaftssenatorin Adrienne Goehler. Darin bitten die Studierenden, die Rechtmäßigkeit des Präsidiumsbeschlusses zu prüfen. Das Gremium habe sich bei der Streichung über eine gegenteilige Empfehlung des Akademischen Senats hinweggesetzt. Im Gewühl von Sekttischen und Infoständen taucht Klaus Wowereit auf. „Wir haben niemanden innerhalb der Uni, an den wir uns noch wenden können“, erklärt ihm Annette Malur. „Der Senat muss sich aus uniinternen Angelegenheiten heraushalten“, erwidert Wowereit, freundlich berlinernd. Annette Malur bleibt hartnäckig, „Die Politik muss ran.“ „Problem erkannt, aber nicht gelöst“, sagt Wowereit und lächelt. Aber etwas kann er doch tun: „Ich kann die Goehler ja noch mal ansprechen“, verabschiedet sich der Wahlkämpfer.
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