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„Konvent muss ein Erfolg werden“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, Elmar Brok, über neue Anforderungen an die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union nach dem 11. September und die bevorstehende Reform der EU-Verträge

Interview DANIELA WEINGÄRTNER

taz: Hat der 11. September die Tagesordnung für den Gipfel in Laeken, wo die Reformen der EU-Verträge auf den Weg gebracht werden sollen, verändert?

Elmar Brok: Natürlich. Zum Beispiel im Bereich der Rechts- und Innenpolitik sind die bisherigen Mechanismen gar nicht ausreichend, um den grenzüberschreitenden Terror zu bekämpfen.

Nach dem missglückten Gipfel von Nizza waren vier Bereiche nicht befriedigend geregelt: Wer macht was in der EU, bekommt das Parlament mehr Mitentscheidung, werden die Grundrechte in den Vertrag aufgenommen und nach welchen Spielregeln entscheidet der Rat? Wie muss die Tagesordnung nun erweitert werden?

Die Außen- und Sicherheitspolitik müssen stärker zusammengeführt werden. Bislang gibt es ja die so genannte Troika: Das ist der Ratspräsident, der jedes halbe Jahr wechselt, der EU-Beauftragte für Außenpolitik beim Rat, Solana, und Außenkommissar Patten, der über das Geld verfügt.

Patten sagt, das ist die einzige Troika aus vier Leuten ...

Ja, der kommende Ratspräsident kann dazugenommen werden. Ich glaube, dass man die Positionen von Solana und Patten zusammenführen sollte in einen Vizepräsidenten der Kommission, der für Außenpolitik zuständig ist, aber mit einer besonderen Legitimationsbindung zum Rat. Es ist völliger Unsinn, dass wir gegenwärtig Doppelstrukturen aufbauen, die im klassischen Kampf der Bürokratien sich bekämpfen, statt wirkungsfähig zu sein. Wir müssen auch über einen öffentlich tagenden Legislativrat nachdenken. Der Ministerrat ist – mit Ausnahme des nordkoreanischen Volkskongresses – das einzige gesetzgeberische Organ der Welt, das nicht in der Öffentlichkeit tagt. Das ist mit einer Demokratie nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Da bekommt der Konvent, der die Verfassung vorbereiten soll, viel zu tun. Hört man Ratsvertreter zu dem Thema, kann man den Eindruck bekommen, der Konvent soll als demokratische Spielwiese ein wenig diskutieren. Dann wird das im Rat interessiert zur Kenntnis genommen – und dann fängt die Regierungskonferenz so richtig mit der Arbeit an.

Die Entscheidungsverfahren im Konvent müssen vernünftig sein. Da die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament den Großteil der Mitglieder stellen, wollen wir doch mal sehen, ob es den Bürokraten und den nationalen Regierungen gelingt, den Konvent arbeitsunfähig zu machen. Wir hoffen, dass die nationalen Abgeordneten sich das von ihren Regierungen nicht gefallen lassen.

Der Erfolg hängt vom Vorsitzenden ab – das hat Roman Herzog bei der Grundrechte-Charta vorgemacht. Wenn beim Gipfel in Laeken im Kreis der Regierungschefs ein Präsident bestimmt wird, wäre die Sache doch eigentlich schon gelaufen.

Das Europäische Parlament wird verlangen, dass dieser Präsident gemeinsam vom Konvent gewählt wird, denn nur dann hat er Autorität. Dass dieser Präsident aus den Reihen der Regierungsvertreter kommt, darauf kann man sich sicherlich einigen.

Sie wollen die Beitrittskandidaten nur als Beobachter dabei haben.

Keines dieser Länder wird Vollmitglied, bis die Arbeit des Konvents im Herbst 2003 abgeschlossen ist. Die Kandidaten sollen volles Rede- und Antragsrecht bekommen – das ist ein sehr weit gehender Schritt. Könnten sie mitstimmen, würde das bei 27 Ländern zu einer totalen Blockade führen. Der Konvent muss ein Erfolg werden – es wird keinen weiteren Schuss zu einer großen Reform der Europäischen Union mehr geben.

Ist das Ihre einzige Sorge?

Wir wissen ja nicht, welche Regierungen sich bei den anstehenden Wahlen in den Beitrittsländern durchsetzen werden. Wenn Mečiar nächstes Jahr in der Slowakei gewinnt, dann würde ich es nicht so lustig finden, wenn er darüber mitentscheidet, ob der Konvent ein Erfolg wird.

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