piwik no script img

Unterm Rosenbogen

■ Der „Universum“-Baumeister Klumpp gewährt einen Einblick in seine Gedankenwerkstatt zwischen absolutem Glücksmoment und Feindbild

Die Beschäftigung mit Architektur beginnt oft mit einem Urerlebnis. Für Thomas Klumpp, den bekennenden Postmodernisten unter Bremens Architekten, war dieses Urerlebnis ein Rosenbogen. Unter einem solchen rosenumwachsenen eisernen Gebilde hatte der Junge schon früh empfunden, was Architektur zu schaffen in der Lage ist: absolute Glücksmomente. Später dann, als Architekturstudent an der Technischen Hochschule Hannover in den 60er Jahren, hat er dieses Motiv in einem Entwurf wiederverwendet und ist dafür von seinem Professor abgekanzelt worden. In der Hochzeit des so genannten Bauwirtschaftsfunktionalismus war ein Rosenbogen tabu.

Diese Episode konnte man am Mittwochabend in Delmenhorst in einem vom Haus Coburg initiierten Vortrag des Architekten hören. Die in Klumpps mäandrierenden Ausführungen eher beiläufig eingefügte Geschichte bekommt erst im Nachhinein ihren tieferen Sinn. Sie begründet ein klares Feindbild, zu dem der Architekt bis heute in Treue steht: jene phantasiearme Nachkriegsmoderne, vor allem „die grausamen 60er Jahre“. So sehr eine solche Haltung für die 70er und 80er Jahre nachvollziehbar sein mag, verblüfft doch das unerschütterte Festhalten an der Vorstellung von der Inkarnation des architektonisch Bösen, die sich besonders anschaulich in Klumpps Abneigung gegenüber der Teerhofbebauung manifestiert. Nicht nur die zentralen Wohnzeilen, auch die neueren Brückenkopfgebäude an der Kleinen Weser fallen unter sein Verdikt: alles Produkte von Agenten und Wiedergängern der 60er-Jahre-Architektur.

In dem Vortrag wurden vor allem die Schwächen eines so schlicht gestrickten Gut-Schlecht-Schemas deutlich. Allzu schnell offenbaren sich die Widersprüche bei dem, der sich hier so ungebrochen auf der Heldenseite präsentiert. Für Klumpp ist nur die Architekturmoderne moralisch schuldhaft verstrickt in „Wirtschaftsglobalisierung“. Gut meinende Kreativarchitekten seiner Couleur dagegen haben unter den ökonomischen Zwängen ausschließlich zu leiden. Ebenfalls ambivalent ist seine Haltung zu den Nutzern, die er einerseits in geradezu populistischer Manier umarmt, deren gestalterischen Eigensinn er aber durch vom Architekten ausgedachte Scheinindividualität allzu gern ignoriert – siehe Marterburg. Thomas Klumpp neigt dazu, seine, die Architekten-Individualität so in den Vordergrund zu rücken, dass für die individuelle Entfaltung der Nutzer nur noch wenig Spiel bleibt. Besonders anschaulich wird das in seinem von Architekteneinfällen geradezu überbordenden Kongresszentrum auf der Bürgerweide, von dem einmal gesagt wurde, dass in seiner bunten Metaphernwelt auch dem abgebrühtesten Geschäftsmann nie langweilig werde. Nicht gesagt wurde, wo er den Knopf zum Abschalten findet, um sich der Penetranz der Kulissengags zu entziehen.

In den letzten Jahren ist Klumpp von dieser Vorliebe für postmoderne Baucollagen abgerückt und setzt stärker auf spektakuläre zeichenhafte Objekte. Das Universum und der imaginierte Turmfortsatz auf dem Siemenshochhaus legen davon ebenso Zeugnis ab, wie die Entwürfe für das Universum hoch drei: das Visionarum. In der neuen formalen Ausrichtung haben sogar geometrische Grundformen ihren Platz erhalten, die doch eigentlich von der falschen Seite in Klumpps antagonistischem Weltbild gebucht waren. Die Hochhausbekrönung schließlich macht unbekümmert Anleihen beim russischen Konstruktivismus der 20er Jahre. Irgendwie scheinen die Kategorien in letzter Zeit etwas durcheinander geraten zu sein. Der abrupte Stimmungswandel gegenüber Hochhäusern nach dem 11. September ist nur ein extremes Beispiel dafür, wie rasch architektonische Leitbilder heute einem Wandel unterliegen. Das macht es nicht einfach für einen Architekten, der zum Leitprinzip erklärt, Architektur habe den labilen Faktor Zeitgeist unmittelbar zu spiegeln oder sie sei wertlos. Damit gerät man leicht in die Rolle des hetzenden Hasen, der immer wieder auf einen grinsenden Igel trifft: Ich bin schon da!

So ist eine ungewöhnliche architektonische Form heute keine kulturrevolutionäre Tat mehr. Spätes-tens seit Frank O. Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao weiß man, dass spektakuläre Bauten für ein erlebnisorientiertes Publikum wichtige kommunale Standortfaktoren darstellen. Deshalb wirkt Klumpps Aussage, er sei überrascht über die positive Aufnahme der „riskanten Architektur“ des Universums, nur aus der Perspektive des hetzenden Hasen überzeugend. Formal greift dieses Bauwerk übrigens deutlich auf die organische Linie der verhassten Nachkriegsmoderne zurück, auf jene rätselhaften Kunstobjekte wie Le Corbusiers Kapelle in Ronchamp, Wrights Guggenheim Museum oder Saarinens TWA-Terminal – Bauwerke, bei denen im Gegensatz zum Universum auch der Innenraum gestalterisch gelöst ist.

Werner Syring

Eberhard Syring

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen