: Hier wird das fünfte Rad gebraucht
Alba Berlin ist Vorreiter in der Sparte Rollstuhl-Basketball. Behinderte und Nichtbehinderte dunken nun auf Rädern
Der Rollstuhlbasketballer Volker Krause kann laufen. Er kann rennen, bis an den Korb springen, kurzum: er ist nicht behindert. Das hält ihn allerdings nicht davon ab, sich in einen Rollstuhl zu setzen und zu spielen. Warum? „Mit meinen zwei Beinen hätte ich niemals die Möglichkeit, in der zweiten Bundesliga zu spielen“, sagt er. Er genieße die einmalige Atmosphäre des „Integrationssportes“, den auch „Fußgänger“ betreiben können, sofern sie bereit sind, Bedenken zu überwinden und 4.000 Mark für einen Sportrollstuhl auf den Tisch zu legen. Nur in der ersten Bundesliga ist der Einsatz von Nichtbehinderten untersagt, sofern sie nicht eine kaputte Kniescheibe oder eine malade Achillessehne vorweisen können.
Ein sehr „materialaufwendiger“ Sport sei dies, sagt Spielertrainer Krause, der die zweite Mannschaft von Alba Berlin betreut. Seit Anfang Juli sind die Rollis bei dem Bundesligisten. Krause war auf der Suche nach einem starken Partner für die Sportler des SC Berlin und wagte nicht zu hoffen, eine positive Rückmeldung vom Wunschkandidat Alba zu bekommen. Doch Manager Carsten Kerner antwortete. Alba schlüpfte gerne in die Vorreiterrolle, und man einigte sich über die Gründung der Sparte Rollstuhlbasketball. Ein Etat zwischen 30.000 und 40.000 Mark steht nun für zwei Teams zur Verfügung. Die erste Mannschaft spielt in der 2. Bundesliga. Die andere in der niedrigsten Spielklasse, der Landesliga. Dort gewann sie bislang alle Spiele.
Jeder Spieler trägt das gleiche Logo wie Derrick Phelps oder Wendell Alexis auf der Brust – fast eine Verpflichtung zum Erfolg. „Alba setzt uns nicht unter Druck, das machen wir schon selbst“, sagt Krause. Bis zu zwei „Fußgänger“ können im Team stehen. Sie werden jedoch am höchsten mit 4,5 Punkten eingestuft. Schwerbehinderte wie die Spielerin Anja Schmidt, die unter den Folgen einer halbseitigen Lähmung leidet, erhalten die Wertung eins. Mehr als 14,5 Schadenspunkte darf ein Team in der Summe der Wertungen nicht übersteigen, wobei der Einsatz von Frauen Bonuspunkte bringt.
In der nächsten Saison soll es schon drei Alba-Teams geben, denn „der Zulauf ist enorm“, berichtet Krause. Ein paar Spiele sollen demnächst im Anschluss an Bundesligapartien in der Max-Schmeling-Halle stattfinden. Die Generalprobe hierfür verlief gut. Nach dem Vorbereitungsspiel der Profis gegen Śląsk Wrocław etwa blieben noch knapp 2.000 Zuschauer in der Halle, um das Spiel der Rollis auf fünf Rädern anzusehen. Krause kommentierte damals und erklärte das dem „Läuferbasketball“ verwandte Reglement, wonach nach zweimaligem Antrieb der Räder gedribbelt werden muss.
Wenn in Berlin Rollstuhl-Basketball gespielt wird, ist meist auch Marianne Buggenhagen dabei. Die vielfache Paralympic-Siegerin spielte früher selbst Basketball. 1977 gehörte sie mit zu den Gründern der Sportart in der DDR. Weil sie schon so lange dabei ist, jetzt aber wegen der Verletzungsgefahr lieber pausiert, weiß sie genau, was sich im Lauf der Zeit verändert hat: „Früher war alles viel langsamer“, sagt sie, „aber dafür haben wir nachher immer ein Fass Bier geleert.“ MARKUS VÖLKER
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