appetithappen: Wurst im Reagenzglas
Küche laboriert
Ob es in Berlin Meisterköche gibt, stand schon immer in Frage. Schon allein, weil die Michelin-Tester über die Jahre höchstens mal aus Zufall, vielleicht aber auch aus Versehen den einen oder anderen Stern in der Hauptstadt abgeworfen haben. Seit vier Jahren hat man deshalb aus der Not eine Tugend gemacht und vergibt den Titel „Berliner Meisterkoch“ – der Einfachheit halber meistens an dieselben Küchenchefs. So auch in diesem Jahr. Seit 1999 jährlich, also auch 2001 wieder, ist beispielsweise Karlheinz Hauser vom Hotel Adlon Meisterkoch geworden, mit in der Riege sind die Maîtres vom Ritz Carlton und des Hotels Palace. Am Samstagabend haben sie und ihre Meisterkollegen einer Dreihundertschaft der Berliner Prominenz im Intercontinental aufgetischt. Es gab Currywurst– und zwar im Reagenzglas. Der Imbissklassiker, der seinen Biss durch den besonderen Mix aus Konservierungsmitteln erhält, stellte sich heute so dar: Am Boden die Würzsauce, darauf eine halbe Wurst, den Abschluss machten die aufgepfropften Pommes. Das war es dann aber auch schon an Experimentierfreudigkeiten. Sonst entnehmen wir dem Speiseplan den seit Jahren gebräuchlichen Loupe de Mer, den üblichen Kohlrabischaum und die unvermeidliche Créme Brulée. Man kocht in der Hauptstadt eben immer noch am liebsten im eigenen Saft. Der Schöpfer der Röhrenwurst durfte außerdem nur ein Gastspiel geben, er heißt Ralf Zacherl, ist nun „Aufsteiger des Jahres“ und kocht in der „Weinbar Rutz“. Berlin ist vielleicht keine gastronomische Wüste mehr, aber als kulinarisches Versuchslabor erst in den Anfängen.
JÖRN KABISCH
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