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Das fliegende Funkkommando

Von Flugzeugen aus versucht das US-Militär, die Taliban durch anonyme Radioappelle zur Kapitulation zu bewegen

Eine Staffel von sechs Boeing-Jets schwebt allabendlich in weiter Höhe über dem Himmel von Afghanistan. „6 EC-130 J“ heißt das fliegende Kommando im offiziellen Militärjargon, unter dem Spitznamen „Commando Solo“ ist die Flugstaffel jedoch seit dem Golfkrieg von 1991 besser bekannt. Ihre Aufgabe heute: Als mobile Rundfunkstation die Bevölkerung Afghanistans vom Sinn der US-Luftschläge zu überzeugen und die Kampfmoral der Taliban zu schwächen.

Über drei Frequenzen – 864 und 1.107 kHz Mittelwelle sowie 8.700 kHz Kurzwelle – strahlt die mobile Radiozentrale täglich mehrere Appelle an die Zivilbevölkerung aus, Ruhe zu bewahren und den amerikanischen Truppen zu vertrauen, die nichts Böses im Schilde führten, sondern nur gekommen seien, „um Bin Laden zu verhaften, al-Qaida zu zerschlagen und alle, die diese Organisation unterstützen“.

War noch Anfang der Woche unklar, wer hinter diesen anonymen Funksequenzen steckt (siehe taz vom 17. 10.), so hat das Pentagon mittlerweile das Geheimnis etwas gelüftet und den Einsatz der „Commando Solo“-Staffel zugegeben. Es verwundert jedoch, dass die Amerikaner derzeit auf ein komplettes Radioprogramm verzichten, was technisch durchaus möglich wäre, und die einzelnen Appelle relativ kurz hält. Das Programm in den Landessprachen Dari und Paschtu wird ausschließlich mit traditioneller afghanischer Musik gefüllt.

Auch stellen sich die Sprecher von „Commando Solo“ bislang niemals vor, selbst der Name der Station, vom Pentagon mit „Informationsradio“ angegeben, wird vor den Hörern geheim gehalten. Wer in Kabul lebt, kann nur vermuten, dass hinter den Sendungen die Amerikaner stecken, vor allem dann, wenn in den Textbeiträgen klar über „bevorstehende Aktionen zur Zerschlagung des islamischen Fundamentalismus“ berichtet wird.

Es gibt jedoch auch Sendungen, deren Inhalt extrem religiös gehalten sind, ganz so, als würden sie von der Nordallianz verantwortet. Darin fehlen dann Begriffe wie „islamischer Fundamentalismus“, und im „Namen Allahs, des Allmächtigen“ wird nach der Wahrheit gerufen. Zusätzlich werden dort auch all jene verdammt, „die die Worte des Propheten beschmutzen und die Lehre des Islam missachten“, um sich an der Macht zu halten.

Inwieweit die Radioappelle nennenswerte Wirkung unter der afghanischen Bevölkerung entfalten, ist nicht bekannt. Nach einer internen Studie der amerikanischen Radiomacher soll das „Commando Solo“-Programm angeblich schon im Golfkrieg die Truppen von Saddam Hussein zermürbt und tausende Soldaten zur Desertion bewegt haben.

Auch jetzt setzen die Amerikaner auf die Taktik der Zermürbung. „Achtung, Achtung, Talibankämpfer“, heißt es in einer der Radioansprachen und auf einem zeitgleich abgeworfenen Flugblatt: „Ihr seid zum Tode verdammt, ist euch das klar?“ Und weiter heißt es: „Was könnt ihr unseren modernen Waffen entgegensetzen? Unsere Bomben sind so zielgenau, wir können sie direkt auf eure Esstische platzieren oder unter eure Betten. Ihr könnt dagegen nichts ausrichten. Ergebt euch!“

Nur: Wem sollen sich die Kämpfer ergeben? Amerikanischen Infanterietruppen, die schon auf afghanischem Boden sind? ROLAND HOFWILER

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