: Keine Wohninseln am Waller Fleet
■ Rechtsgutachten: Keine Legalisierung der Waller Mischung aus Garten- und Wohngebiet – nun droht die „Bereinigung“ der Parzellen. Auch Kaisenhaus-Bewohner ohne Rechtsanspruch
Auf diesen Tag haben viele Waller Parzellenbewohner mit einer Mischung aus Sorge und Hoffnung gewartet: Gestern stellte der Müns-teraner Rechtsanwalt Professor Bernhard Stüer sein Rechtsgutachten über die Wohnnutzung im Parzellengebiet Waller Fleet vor. Seine Expertise kann den ParzellenbewohnerInnen nicht gefallen, gibt sie doch der Bauverwaltung in jeder Hinsicht recht.
Planungsrechtlich sei der Waller Fleet eindeutig ein Kleingartengebiet, in dem lediglich Lauben bis zu einer Größe von 24 Quadratmetern legal seien – und das auch nur, so lange sie nicht dauerhaft zum Wohnen genutzt werden können. Aus der vorübergehenden Wohngenehmigung für Notunterkünfte durch den Erlass des Bürgermeisters Wilhelm Kaisen 1945 folgt laut Stüer heute kein Wohnrecht mehr – nicht einmal für die ursprünglichen BewohnerInnen.
Die Bürgerschaft könnte das Wohnen im Parzellengebiet lediglich durch eine Bebauungsplanänderung legalisieren. Dann aber müsste sie das ganze Gebiet oder wenigstens wesentliche Teile davon zum Wohngebiet umwidmen. Eine Nutzung durch Kleingärtner wäre dann nicht mehr möglich. Ausgeschlossen ist nach Stüers Gutachten die Ausweisung einzelner Parzellen als Wohngebiet, während der Rest Kleingartengebiet bleibt. Laut Stüer verstößt es gegen die Baunutzungsverordnung, durch „parzellenscharfes“ Teilen eine Mischung zu schaffen. Und auch der Herauslösung von einigen benachbarten Grundstücken aus dem Gartengebiet räumt das Gutachten keine Chance ein, weil die bewohnten Grundstücke zu verstreut liegen und nur durch umfangreiche Umsetzungen mehrere Parzellen zusammengefasst werden könnten. Diese so genannte „Insellösung“ wurde zwischenzeitlich als salomonische Lösung im Konflikt der BewohnerInnen mit der Stadt gehandelt. Auch der „Berliner Lösung“, einer weitgehenden Legalisierung von ParzellenbewohnerInnen, erteilt der Jurist ein Absage: Berlin sei durch die Vereinigung ein Sonderfall, der nicht auf Bremern übertragbar sei.
So deutet nun alles darauf hin, dass das Gebiet „bereinigt“ wird, wie die Vertreibung der BewohnerInnen im Behördendeutsch heißt. Wolfgang Golinski vom Fachausschuss Bau des Beirats Walle begrüßt das Gutachten. Damit sei klar, dass der Waller Fleet als Naherholungsgebiet erhalten bleibe – „und wir haben ja nicht viel.“ Peter Kudella (CDU), zum Moderator zwischen BewohnerInnen und Bauressort bestellt, machte gestern deutlich, dass er die juristische Klärung mit dem Gutachten für abgeschlossen hält: „Die rechtlich Seite ist damit ausgelutscht.“ Er sieht für sich und den Sanierungsbeirat nun die neue Aufgabe, den Prozess „sozialverträglich“ zu gestalten. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Senatsverwaltung in der Geschichte über 30 Jahre nicht gut aussehe. So lange habe man Zustände toleriert, die nicht hinnehmbar seien, und die BewohnerInnen hätten sich daran gewöhnt.
Deshalb müsse man nun über angemessene „Auswohnfristen“ ebenso reden wie über eine Altersgrenze, bis zu der der Rauswurf noch zumutbar sei. Auch finanzielle Hilfen beim Abriss illegal gebauter Häuser müsse die Stadtgemeinde gewähren. Vorsichtshalber werden dafür im kommenden Haushalt schon mal zwei Millionen Mark eingeplant. Auch über eine Alternative für vertriebene Fleet-Anwohner hat Kudella schon nachgedacht: „Vielleicht kann man woanders vereinfachten Wohnungsbau mit abgespeckten Bauvorschriften realisieren.“
Gutachter Stüer betont, sein Gutachten lege nicht die Handlungsschritte der Verwaltung fest. Es gebe durchaus Spielräume für Ermessenserwägungen. Nur müsse die Stadt ein erkennbares Konzept zur Beendigung der unrechtmäßigen Nutzung vorlegen, das dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung trage. Sonst habe sie demnächst vor Gericht keine Chance mehr gegen illegal errichtete Bauten. Das habe das Oberverwaltungsgericht in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht.
Jan Kahlcke
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