: „Für Rot-Rot-Grün!“
Der grüne Vordenker Daniel Cohn-Bendit meint: Nur so kann der Schock der Sparmaßnahmen gemildert werden
taz: Herr Cohn-Bendit, die Berliner Grünen können mit SPD und FDP eine Ampel-Koalition versuchen oder sie müssen wieder Opposition betreiben, wenn sich die SPD für eine Koalition mit der PDS entscheidet.
Daniel Cohn-Bendit: Die Grünen sollten klar sagen, dass sie für eine Ampelkoalition, die nur über eine knappe Mehrheit verfügt, nicht zur Verfügung stehen, da sie eine Entscheidung West gegen Ost wäre. Eine Ampel würde in die Zange des bürgerlichen Lagers des Westens und des Ostlagers der PDS genommen. Das würde die Grünen am ehesten zerreiben.
Die Alternative zur Ampel wäre Rot-Rot, eine Konstellation also, die auf die Grünen ganz und gar nicht angewiesen ist.
Eine rot-rote Koalition wäre zwar am geeignetsten, die PDS ganz schnell zu entmystifizieren. Verlieren würde dabei allerdings Berlin, denn eine rot-rote Regierung wäre nicht viel mehr als eine Traditionskoalition gegen alle Möglichkeiten innovativer Politik. Rot-Rot wäre nicht in der Mitte der Gesellschaft verankert, deshalb plädiere ich für eine rot-rot-grüne-Koalition.
In solch einer Koalition fänden sich die Grünen dann allerdings in der undankbaren Rolle des fünften Rads am Wagen.
Die Grünen müssen sich trotzdem anbieten, wohl wissend, das es schwer wird, denn sie repräsentieren gerade im Westen einen Teil der Zivilgesellschaft Berlins, der notwendigerweise am Sanierungskonzept zu beteiligen ist. Rot-Rot-Grün wäre mit 60 Prozent eine große Koalition, die in der Lage wäre, den Schock der Maßnahmen, die für die Stadt notwendig sind, auszuhalten. Wenn die PDS und die SPD sich allerdings entscheiden sollten, alleine eine Regierung zu bilden, dann ist das so, aber dann haben die Grünen auch für die Zukunft eine ganz andere Argumentationsbasis.
Die Grünen in Berlin schätzen die Lage ganz offensichtlich anders ein als Sie. Andrea Fischer und Justizsenator Wolfgang Wieland haben schon signalisiert, dass sie sich nicht auf eine rot-rot-grüne Koalition einlassen wollen.
Das ist eine Denkblockade, die man aufbrechen muss. Wolfgang Wieland hat als Justizsenator in einer kurzen Zeit eine Rationalität und Ruhe entwickelt, die in einer Zeit wie heute sehr gut passt. Die Grünen haben in der Umweltpolitik Kompetenzen, die weder die SPD noch die PDS so haben. Justiz, Finanzen oder Umwelt, das wären Möglichkeiten grüner Beteiligung. Ein Innensenator Gregor Gysi und ein Justizsenator Wolfgang Wieland wären doch gerade in der Hauptstadt ein spannendes Gegengewicht zu Innenminister Otto Schily.
Interview: EBERHARD SEIDEL
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