: Gesunder Egoismus
Der kritische Konsument, dem sein gutes Gewissen etwas wert ist, braucht das „Schwarzbuch der Markenfirmen“
Mag sein, dass die Werbeagenturen, die die großen multinationalen Konzerne in ihrer Imageproduktion beraten, sich leichter tun als Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und kritische Journalisten, ihre Kunden auch auf ihre Imageverantwortung zu verpflichten. Schließlich stehen sie – anders als die genannten Gruppen – in den Augen der verantwortlichen Manager erst einmal auf der gleichen Seite. Sie könnten tatsächlich das Bindeglied sein, das zwischen den Managern, die sich ihren Shareholdern verpflichtet fühlen, und dem Kunden, dem Feind, vermittelt, der zwar neuerdings als Stakeholder gebauchpinselt, aber als kritischer Konsument – und möglicherweise Mitglied der genannten Organisationen – letztlich ignoriert werden soll.
Der Kunde ist ein merkwürdiges Wesen, das in vielen Rollen auftritt. Vor allem aber ist er ein Egoist. Freilich ist er ein interessanter Egoist. Er möchte preiswert einkaufen, er möchte als möglicher Aktieninhaber, also Shareholder, am Kapital verdienen, und er möchte – der Gipfel der Arroganz – dabei ein gutes Gewissen haben. Als Mitspieler, Stakeholder, im globalen Kapitalismus möchte er keine Sklaverei mehr auf dieser Erde sehen, keine Kinderarbeit, keine Finanzierung von Bürgerkrieg und Terror durch die Ausbeutung der Bodenschätze der Dritten Welt, keine exportierte Umweltverschmutzung und keine unmenschlichen Arbeitsverträge. Interessant ist am Kunden, dass sich mehr und mehr herausstellt, dass ihm sein gutes Gewissen offenbar am meisten wert ist, wenn auch nicht alles.
Das ist die gute Nachricht. Der Kunde der Industriegesellschaften sieht inzwischen beispielsweise im Export von Arbeitsplätzen in die Dritte Welt eine Win-win-Situation. Für sich selbst, weil er preiswerter konsumieren kann und für hochsubventionierte Arbeitsplätze im eigenen Land immer weniger Verständnis aufbringt. Für die armen Länder, weil sich bei ihnen bescheidener Wohlstand entwickeln kann. Genauer: könnte. Was und wer dagegen steht, das erfährt er im „Schwarzbuch der Markenfirmen“ von Klaus Werner und Hans Weiss. Und er erfährt in dem Kompendium der beiden ausgewiesenen investigativen Journalisten in Sachen Gesundheit und Umwelt, wie man auf die Konzerne Druck macht. Am wenigsten durch Boykott, der nur den Verlust von Arbeitsplätzen und weiteren Druck auf die Wirtschaft der armen Länder mit sich bringt. Sondern mehr durch stetes und ständiges, nervendes Nachhaken bei den betroffenen Firmen. Wie das geht, wo man sich informiert, wo man andockt, das alles findet sich in dem 350 Seiten starken Band. Ein must für jeden klugen Egoisten. WBG
„Schwarzbuch der Markenfirmen. Die Machenschaften der Weltkonzerne“. Deuticke Verlag Wien 2001, 20,41 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen