Mit München konkurrieren

Jung, parteilos, selbstbewusst: Der neue Wissenschaftssenator Jörg Dräger (33) will Hamburgs Hochschulen so gut wie die Technologiehochburgen im Süden machen. Neue Rolle für die ZVS

Erst sollen die Unis ihre Studierenden aussuchen. Dann ist die ZVS dran

taz: Herr Dräger, was hat Sie bewogen, das Amt des Hamburger Wissenschaftssenators zu übernehmen?

Jörg Dräger: Die Überzeugung, die einschneidenden Veränderungen beeinflussen zu können, die sich in den kommenden Jahren an den Hochschulen ergeben werden.

Wohin soll Ihr Einfluss denn gehen?

Ich finde, dass wir das Angebot des Staates, den Hochschulen mehr Autonomie zuzugestehen, unbedingt nutzen müssen. Um beispielsweise durchschaubare Managementstrukturen einzuführen oder auch die Auswahl der Studienbewerber voranzubringen. Zudem steht uns, nicht nur in Hamburg, eine beispiellose Pensionierungswelle bevor – die Hälfte der Professoren wechselt in den Ruhestand. Das ist eine große Herausforderung, das neue Dienstrecht zu nutzen und exzellente junge Professoren an die Unis zu holen.

Bislang sind Sie noch Geschäftsführer des kleinen Northern Institute of Technology. Das NIT operiert nach dem Motto: Tausche klangvollen Titel gegen gute Bezahlung. Ist das genug Programm für eine Stadt mit über 60.000 Studenten?

Das NIT ist ein gelungenes Beispiel für ein sehr eigenständiges Profil. Und dafür, dass man auch mit einem kleinen Modell viel bewegen kann. Es wäre aber falsch, an der Uni Hamburg kopieren zu wollen, was am NIT läuft. Trotzdem muss sich auch dort etwas tun. Ich werde versuchen, die Profilbildung der Hochschulen zu fördern.

Glauben Sie, dass Ihnen dabei Ihr Ruf als Etikettenschwindler helfen wird?

Das NIT ist kein Etikettenschwindel. Wir transportieren unser Profil klar und deutlich.

Ihre 65-Studenten-Hochschule nennt sich doch nicht umsonst NIT. Sie wollen mit der halben Namenskopie vom guten Ruf der Nobelpreisträger-Hochburg MIT was abbekommen – obwohl sie etwas ganz anderes machen. Allenfalls ihre Gebühren reichen ans Niveau des MIT heran.

Ich habe den Namen NIT geerbt. Im Übrigen pflege ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Isaac Colbert, dem Dean für Graduate Students am Massachussetts Institute of Technology. Der käme gar nicht auf die Idee, uns als Kopisten hinzustellen.

Aber wir kommen auf die Idee, auf Ihr so wohlklingendes „Humanities“-Programm zu gucken. Da lassen Sie an drei Wochenendkursen die jüngsten Entwicklungen in Philosophie und Ethik verabreichen. Das hört sich ein bisschen wie Volkshochschule an . . .

. . . hat aber hohes akademisches Niveau. Was wir machen, machen wir richtig. Die Wochenendworkshops in „engineering ethics“ werden von renommierten Gelehrten aus Leeds und Manchester gelesen. Die Ingenieure, die wir ausbilden, können hier ausgezeichnet ihre Verantwortungskomponente wahrnehmen.

Zurück zu Ihrem neuen Job: Was gefällt Ihnen am Hamburger Hochschulsystem? Und was missfällt Ihnen?

Die Hansestadt hat das Potenzial, ein führender Wisssenschafts- und Forschungsstandort zu werden. Wenn wir noch mehr innovative Schwerpunkte setzen, können wir gut mit den Technologieländern im Süden konkurrieren. Wir sollten uns aber zuerst Mühe geben, das, was wir sehr gut können, auch wirklich bekannt zu machen. Und für Gutes gibt es in Hamburg genügend Beispiele.

Werden Sie als Senator bei Schwerpunktsetzungen nachhelfen?

Ich werde Anreize geben, ich freue mich aufs Moderieren, und ich werde meine Chancen nutzen, strategisch zu steuern. Aber ich beabsichtige natürlich, die Autonomie der Hamburger Hochschulen nicht anzutasten.

Was wird der Einfluss des jungschen Kultusministers auf die ehrwürdige Kultusministerkonferenz sein?

Ich will mich gerne darum bemühen, dass die ZVS nicht in Vergessenheit gerät.

Sie wollen die Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen abschaffen?

Ich würde das Verteilungsverfahren gerne umdrehen. Erst sollten die Studenten ihr Recht ausschöpfen, sich ihre Hochschule auszusuchen. Und umgekehrt. Dann soll die ZVS ihres Amtes walten – und allen, die bis dahin leer ausgegangen sind, einen Studienplatz besorgen. Das ist die richtige Reihenfolge, wie übrigens auch der Präsident der Hochschulrektoren, Klaus Landfried, findet.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER