: Von Höhlenmenschen und Filmvorführern
■ Hamburger Filmemacher präsentieren sich: Der Tag des Nachwuchsfilms
Komisch, da kommt man bei jedem Kinobesuch in den Genuss ihrer Arbeit, und dennoch begegnen sie einem eher als Figur im Film denn als reale Person im Kino: Vorführer sind vielleicht aus Cinema Paradiso, Fightclub oder Im Lauf der Zeit bekannt, aber kaum aus der Realität. Es muss schon der Film reißen, bevor das Publikum überhaupt gewahr wird, dass da „einer“ ist. Doch wer ist diese unbekannte Person eigentlich, die immerhin für das perfekte Gelingen der Leinwand-Illusion sorgt?
Dieser Unkenntnis über eine der wichtigsten Instanzen im Kino, nimmt sich der Hamburger Filmemacher Carsten Knoop in seiner Doku Der Vorführ-Effekt an. Dabei verbindet er seine eigene Geschichte als Vorführer mit der Geschichte der Tätigkeit. Nachdem der Vorspann mit diversen Projektionsfehlern – sichtbare Staubfuseln, Projektion des Startbandes und Test-tons – augenzwinkernd den Vorführern dieser Welt Hallo sagt, begibt sich Knoop auf einen sein eigenes Leben in vielfacher Hinsicht reflektierenden Weg: Sich selbst mit der Handkamera filmend holt der Vorführer, Kinobetreiber und Filmaktivist im Archiv der Kinemathek die Kopie von Der Vorführ-Effekt ab und begibt sich per Rad auf den Weg ins Lichtmeß.
Diese Fahrt gestaltet er dabei als eine Reise durch die Historie des Vorführens. Neben einem Abriss über projektionstechnische Entwicklungen geben vor allem die Personen hinter den (Hamburger) Lichtbildwerfern Einblick in ihren Beruf: Alte Hasen berichten aus einer Zeit, da Vorführen noch ein angesehener „Männerberuf“ war; eine Filmemacherin erzählt davon, dass sie ihre Liebe zum Film überhaupt erst beim Projizieren entdeckte, und Vorführer gestehen den Bilderraub aus Filmrollen. Das Wissen um den stressigen Arbeitsalltag eines Projektionisten wird so manch ungeduldigen Kinogast beim nächsten Filmriss die Ruhe bewahren lassen. Denn – auch wenn man ihn nicht sieht – der Vorführer wird es richten und solange es ihn gibt, gibt es auch Kino.
Im Kino zu sehen ist Der Vorführ-Effekt jetzt im Lichtmeß. Regisseur Knoop wird ihn höchstpersönlich vorführen und mit Sicherheit nicht im Verborgenen bleiben. Wer den Film an diesem Donnerstag nicht sehen kann, hat dazu sechs Tage später im Rahmen vom „Tag des Nachwuchsfilms“ nochmals die Möglichkeit. Neben Der Vorführ-Effekt gibt es dann einige Kurz- und Langfilme aus dem Hause „Abbildungszentrum“, einer Hamburger Vereinigung von „sieben mittelalten Jungen Filmern“, der auch Knoop angehört.
Unter anderem gibt es den überraschenden Tagebuchfilm Wie ich ein Höhlenmaler wurde von Jan Peters. Ausgehend von der Suche nach dem Sinn des Lebens ab Vierunddreißig zeigt Peters, ein nicht mehr ganz so junger Praktikant am Schauspielhaus Hamburg, in diesem visualisierten Stream of consciousness, wie er im Laufe seiner Hospitanz zum kniekranken Steinzeitmenschen mutiert. Zwischen Gründgensloge, Unterbühne und Waschraum umherirrend kommt er dabei zu allerlei Erkenntnissen über Spätzündertum, Weltraumfahrt, Filmemachen und das Verhältnis von Menschen untereinander.
Niemals ins nabelschauhafte abrutschend gelingt Peters dabei ein schönes Stück Kino, dessen gesprochener Text mit einer sehr klugen Kamera- und Schnittarbeit korrespondiert. Die Mischung aus scheinbar verwackelten Heimfil-merbildern, experimentellen Mehrfachbelichtungen, gefaktem TV-Reporter-Style, Trickfilmsequenzen und traumhaften Zeitrafferbildern, die durch einen nicht minder gekonnten Soundtrack ergänzt ist, zeigt zum einen Peters Beherrschung des Metiers. Zum anderen zeugt der Film aber auch von einem Individualismus, der zutiefst sympathisch ist und darüberhinaus ein solch eigenständiges und einzigartiges Werk wie Peters Wie ich ein Höhlenmaler wurde überhaupt erst möglich macht. Gerd Bauder
Der Vorführeffekt: Do, 20 Uhr, Lichtmeß; Tag des Nachwuchsfilms: Mi, ab 17 Uhr, Metropolis (mit Die Spur, Wie ich ein Höhlenmaler wurde, Manege, Buy One Get One Free, Domfrauen und Der Vorführeffekt)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen