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„Wir lassen uns nicht erpressen“

■ Musical-Betreiber Schulenberg verlangt weit mehr als drei Millionen Mark, wenn Hair noch nach Ende Oktober laufen soll. SPD-Fraktion will „kein Steuergeld mehr für Hair“ bewilligen

„Die SPD wird sich von KPS nicht erpressen lassen.“ Mit dieser Klarstellung trat der Bremer SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen gestern Nachmittag vor die Presse. Die Fraktion hatte in einer Sondersitzung die Lage beraten und war zu dem Schluss gekommen: „Kein Steuergeld mehr für Hair“. Die SPD sei „fassungslos“, wie ein Unternehmer schon nach fünf Wochen – erst so lange läuft „Hair“ – zum Staat kommen könne, um die Hand aufzuhalten. Das „Ende der Fahnenstange“ öffentlicher Subventionen für das Musical sei erreicht. Wenn das Programm sich nicht rechne, werde man es aus Steuermitteln nicht „künstlich am Leben erhalten“.

Der Bremer Konzertunternehmer Klaus-Peter Schulenberg hatte gegenüber dem Wirtschaftssenator keineswegs nur drei Millionen Mark Überlebenshilfe gefordert, wie Josef Hattig (CDU) am Dienstag gegenüber dem Weser Kurier behauptet hatte, sondern zusätzliche dauerhafte Subventionen. Böhrnsen erklärte, laut Hattig wolle Schulenberg allein für den Rest des Jahres 2001 noch drei Millionen Mark Zuschuss. Jedes Jahr verlange der Konzertunternehmer darüber hinaus eine Million Mark zum Ausgleich von Einnahme-Einbrüchen im Sommer. 2,5 Millionen Mark Marketing-Hilfen sollten jedes Jahr für das Musical-Theater fließen, 1,5 Millionen Mark für die Vorbereitung des nächsten Stücks. Das macht allein für 2002 schon fünf Millionen Mark feste Subventionen, Dazu käme eine Summe zwischen zwei und drei Millionen Mark, die die Stadt für die Spielstätte je nach Auslastung zuschießen muss. Unter dem Strich müsste die Stadt also jedes Jahr mit mindestens sieben Millionen Mark Kosten für das Musical rechnen.

„Empört“ sei er gewesen, als er diese Summe gehört habe, gestand der SPD-Fraktionsvorsitzende. Die Grünen-Wirtschaftspolitikertin Helga Trüpel erinnerte daran, dass sie noch am vergangenen Donnerstag in der Sitzung der Wirtschaftsdeputation gefragt hatte, wie es um das Vertragswerk mit Schulenberg stehe. Vom Wirtschaftsressort sei erklärt worden, es sei alles in Ordnung, man handele „im Geist“ der Verträge. Das Musical sei eine „rein private Veranstaltung“. Auch mit dem im vergangenen Jahr angekündigten KPS-Bau auf dem Contrescarpe-Grundstück, wo inzwischen zur Überdeckung der Peinlichkeit grüner Rasen ausgesät wurde, gebe es „keine Probleme“. Offenbar war das alles gelogen. Denn schon Tage vor dem Donnerstag hatte es eine Krisensitzung der Spitzen-Manager aus dem Bereich des Wirtschaftssenators über die KPS-Drohung gegeben, das Musical Hair Ende Oktober abzubrechen.

Nach Auskunft von Hattig hat Schulenberg in den letzten Tagen das Vertragswerk unterschrieben – und offenbar zeitgleich seine Millionen-Forderung auf den Tisch gelegt. In dem Vertragswerk wird das Bremer Ticket-Service-Center (TSC) an Schulenberg verkauft, weil er im Gegenzug das Bremer Musical in eigene unternehmerische Verantwortung übernimmt. Weder SPD- noch Grünen-Politiker kennen das Vertragswerk genau, das diese beiden Geschäfte miteinander verkoppelt; über die Frage, was mit dem einen Vertragsteil wird, wenn der andere nicht erfüllt wird, konnten sie daher nur spekulieren. „Ich verlange, dass die Verträge offengelegt werden“, erklärte denn auch Helga Trüpel auf ihrer Pressekonferenz. Und fragte, ob die Schulenberg-Gruppe, deren Aktie CTS-Eventim seit dem Sommer 2000 von 30 auf 4,99 Euro abgestürzt ist, „finanziell in Schwierigkeiten ist er und deshalb auf dem Contrescarpe-Grundstück nicht baut“. Im Herbst des Jahres 2000 hatte die Eurogate-Gruppe das begehrte Grundstück nicht bekommen – mit der Begründung, die KPS-Gruppe wolle hier Arbeitsplätze nach Bremen verlagern.

Wenn die Bremer Musical-Ära nun zu Ende geht, bleibt für die Stadt das Problem des aufwändig umgebauten Musical-Theaters. Gut 50 Millionen Mark hat der Umbau gekostet, und die öffentliche Hand hat die Investition für den privaten Immobilienbesitzer bezahlt. Das bedeutet: Wenn das Theater leer steht, zahlt Bremen 18 Jahre lang jeweils 4,4 Millionen Mark Zinsen und Tilgung. Wenn das Theater wieder mit einem Musical bespielt wird, reduziert sich – bei 70-prozentiger Auslastung und einem durchschnittlichen Preisniveau um die 100 Mark – der staatliche Zuschuss für das Theater auf 1,7 Millionen Mark jährlich. Wird am Richtweg ein anderes Programm gespielt, für das die Karten billiger sind, steigt der Zuschuss. Diese Konstruktion ist dem Konzertunternehmer Schulenberg auf 18 Jahre vertraglich zugesichert. Die SPD-Fraktion hatte schon im Frühjahr gefordert, dass Schulenberg mit dem derart subventionierten Saal nicht anderen Bremer Veranstaltungsstätten Konkurrenz machen dürfe. Ob so etwas auch im Vertrag stehe, wisse er nicht, räumte Böhrnsen ein, da der Vertrag „vertraulich“ zwischen dem CDU-Wirtschaftssenator und dem CDU-nahen Konzertunternehmer ausgehandelt wurde.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff hat „mit großer Sorge“ die Meldungen über die Hair-Pleite zur Kenntnis genommen. Die Fortsetzung von Hair sei „die Entscheidung der privaten Betreiber“, stellte er aber klar. Das ist ein deutlicher Wink an den Wirtschaftssenator. Hattig hatte noch am Dienstag gegenüber dem Weser Kurier den Eindruck erweckt, „alle Beteiligten“ wollten das Stück wenigstens „über die Wintersaison retten“. Am nächsten Mittwoch will der Wirtschaftssenator der Deputation ein Konzept vorlegen, wie es nach der Hiobsbotschaft weitergehen soll. Klaus Wolschner

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