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Es geht gar nicht um Terrorismus

Bürgerrechtsgruppen und Juristenverbände fast einstimmig gegen Otto Schilys „Sicherheitspaket II“. Grüner Rechtspolitiker Beck verspricht, dass Einwände gehört werden – aber erst, wenn das Maßnahmenbündel durchs Kabinett gewandert ist

von ULRIKE WINKELMANN und SEVERIN WEILAND

„Man kommt kaum nach mit Lesen, Analyse und Bewertung dessen, was da aus den Schubladen des Innenministeriums geholt wird“, sagte Wolfgang Kaleck vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltverein gestern zum Auftakt einer Pressekonferenz verschiedener Bürgerrechts- und Juristenvereine gegen das „Sicherheitspaket II“ von Innenminister Otto Schily.

Doch schon das vorläufige Urteil war verheerend: Wenn man das Maßnahmenpaket Schilys einer Grundrechtsüberprüfung unterziehe, so Kaleck, „wird deutlich, dass damit andere Ziele als die Bekämpfung des Terrorismus verfolgt werden“. Nicht nur würden diverse Grundrechte durch das Maßnahmenbündel, das am 7. November durch das Kabinett gehen soll, beeinträchtigt – nein, das ganze Paket sei verfehlt.

Andrea Würdiger vom selben Anwaltsverein erläuterte dies am Beispiel der Maßnahmen, die sich mit Ausländern im Allgemeinen und mit Asylsuchenden im Besonderen befassen. Durch einen unkontrollierten Online-Zugriff aller Behörden auf Datenbestände könnten etwa lückenlose Bewegungsbilder erstellt werden. Einreise und Aufenthalt könnten schon bei einem bloßen Verdacht der Behörden unmöglich gemacht werden. Auch die Einladenden, Kontaktpersonen und der Einreisegrund würden dazu geprüft. Dies gelte auch für Geschäftsreisende.

„Es geht bei all dem offensichtlich nicht um Terrorismus, sondern um die lückenlose Überwachung von Ausländern und ihrem Umfeld“, sagte Würdiger. „Einen Hammer“ nannte Margarete vom Galen vom Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen die Absicht Schilys, das Bundeskriminalamt ohne einen Anfangsverdacht ermitteln zu lassen. Darin waren sich die Initiativen mit den tonangebenden deutschen Juristenverbänden einig, die gestern forderten, diesen Plan „ersatzlos fallen zu lassen“ (siehe dazu auch das Interview auf dieser Seite). Andreas Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club wies darauf hin, dass auch Fingerabdrücke und Hologramme, wie sie in Zukunft in persönliche Dokumente aufgenommen werden sollen, nicht fälschungssicher seien.

Die Bürgerrechtler setzen zur Abwendung oder Modifizierung des Anti-Terror-Pakets zum einen auf das Bundesjustizministerium, aus dem bereits schwere Einwände öffentlich geworden sind.

Zum anderen hofft man auch auf die Grünen. Wie viel Widerstand von dort zu erwarten ist, deutete der rechtspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck, gestern an. Er begrüßte die Wortmeldungen der Initiativen und sagte, das zwinge die Politik, die Maßnahmen nicht nur zu begründen, sondern auch „nochmals zu überdenken“. Nach der Verabschiedung der Sicherheitsgesetze im Kabinett soll es nach dem Wunsch der Grünen in der parlamentarischen Beratung im Innen- und Rechtsausschuss eine gründliche Anhörung der betroffenen Verbände geben.

In den derzeit noch andauernden Fachgesprächen zwischen SPD und Grünen ist laut Beck „Bewegung gekommen“. Intensiv müsse unter anderem noch über den vorgesehenen Aufbau eines Registers für Ausländervereine gesprochen werden. Danach sollen Vereine, die sich nicht anmelden, mit einem Bußgeld belegt werden. Dagegen erheben die Grünen Bedenken. Beck befürchtet, dass Vorstandsmitglieder insbesondere von nichtrechtsfähigen Vereinen, die mit einem Ordnungsgeld belegt wurden, möglicherweise bei einer Aufenthaltsverlängerung benachteiligt werden könnten. Die geplanten Verbotsmöglichkeiten im Vereinsgesetz wollen die Grünen hingegen mittragen.

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