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Forschungsreaktor Garching II

Die lange umstrittene Neutronenquelle darf nun doch mit Waffenuran betrieben werden

Das 15.000-Seelenstädtchen Garching liegt 481 Meter über dem Meeresspiegel. Und im Speckgürtel Münchens. Es gibt eigentlich keinen Grund, sich mit Garching näher zu befassen, gäbe es hier nicht die Forschung und den FRM 2. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich ein Atomreaktor, und zwar seit 20 Jahren in der westlichen Welt der einzige seiner Art, der – trotz Ausstiegsbeschlusses – in Deutschland derzeit erbaut wird. Seit gestern ist nun klar, dass im Meiler gemäß Betreiberwunsch hoch angereichertes, atomwaffenfähiges Uran eingesetzt wird. Der Freistaat Bayern bestätigte einen entsprechenden Beschluss des Bundeskabinetts.

„Neutronenquelle“ nennen die einen den FRM 2, „unerwünscht“ sagen andere: Der Meiler wird nicht zur Stromerzeugung, sondern zu Forschungszwecken erbaut. Während sich die „Bürger gegen Atomreaktor Garchingen“ mit Volksentscheiden, Strafanzeigen und Protestbriefen an den Bundeskanzler gegen den Bau zu wehren suchen, geraten Wissenschaftler ins Schwärmen. Sie können die vom Meiler produzierten Neutronen als äußerst präzises Messinstrument für die Materialforschung und -entwicklung einsetzen. Der Vorteil der ladungsfreien Neutronen nämlich ist, dass sie sehr weit in Materie eindringen und als Messsonden genutzt werden können. Mittels Neutronenspektrografie lassen sich beispielsweise kleinste Ermüdungsrisse oder innere Spannungen sichtbar machen.

Experimente an Teilchenbeschleunigern erfordern Ionenstrahlen von höchster Energieschärfe und Strahlqualität. Um die zu erzeugen, soll im FRM 2 hochangereichertes Uran zum Einsatz kommen, weil das einen besseren Neutronenfluss ermöglicht. 93 Prozent wird der Anreicherungsgrad betragen; ohne große technische Probleme lässt sich daraus atombombenfähiges Uran chemisch herauslösen. Auch das ist ein Kritikpunkt der Bürgerinitiative. Um die Gefahr einer Verbreitung dieses Atombombengrundstoffes zu minimieren, wurden nämlich weltweit die Forschungsreaktoren umgestellt – von hoch- auf niedrigangereichertes Uran. Bislang hat das internationale RERTR-Programm (Reduced Enrichment for Research and Test Reactors) erfolgreich bewirkt, dass atombombenfähiges Uran im zivilen Bereich nicht mehr verwendet wird, schon gar nicht in einem Reaktorneubau. Deshalb weigern sich die USA bislang, den Münchner Vorortmeiler mit Rohstoff zu versorgen. Bayerns Staatsregierung gedenkt sich bei den Russen einzudecken.

Überhaupt, die Staatsregierung: Dem Vernehmen nach hat Bundeskanzler Gerhard Schröder selbst dafür gesorgt, dass es im Kabinett eine Zusage für den hochangereicherten Uranrohstoff gibt. Andernfalls hätte er seinem potenziellen Gegenkandidaten bei der Bundestagswahl ein erstes Wahlkampfthema in den Planungsblock diktiert: Technikfeindlichkeit. Die bayerische Regierung ihrerseits ist mächtig stolz auf ihren FRM 2. Natürlich fördert sie „das Laboratorium“ kräftig: Experten gehen davon aus, dass der Freistaat bis zur Betriebsbereitschaft eine Milliarde Mark zuschießen wird. In Betrieb gehen kann der Reaktor aber erst, wenn auch die noch dritte ausstehende atomrechtliche Genehmigung aus dem Bundesumweltministerium vorliegt.

NICK REIMER

Kritiker: www.frm2.deBetreiber: www.bl.physik.tu-muenchen.de/bl/bl.html

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