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Nigeria im Griff tödlicher Gewalt

Im multireligiösen Vielvölkerstaat kommt es mittlerweile fast wöchentlich zu Unruhen mit hunderten Toten

COTONOU taz ■ Durch Nigeria rollt eine Welle der Gewalt. Nachdem vor zwei Wochen 19 Soldaten in Dörfern im Osten des Landes zu Tode gehackt wurden, rächten sich militärisch Uniformierte am Dienstag. Dabei starben nach Augenzeugenberichten mindestens 200 Menschen. Die nigerianische Tageszeitung ThisDay berichtet von acht gepanzerten Armeefahrzeugen, die vor drei Tagen in die Dörfer gefahren seien, in denen ihre 19 Kollegen gekidnappt und später umgebracht worden waren. Zunächst trieben die Angreifer die Dorfbewohner zusammen und ließen dann Frauen und Kinder gehen. Die Männer wurden erschossen, die Häuser geschleift. Die Armee bestreitet eine Täterschaft, wollte den Fall aber untersuchen.

Unterschiedliche Augenzeugen beschuldigen hingegen eindeutig Angehörige der nigerianischen Armee und führen identifiziertes militärisches Gerät an. Die ermordeten 19 Soldaten waren auf einer Friedensmission gewesen. Sie sollten weitere Gewalt zwischen den Volksgruppen der Tiv und Jukun verhindern. Denn in den östlichen und mittleren Bundesstaaten Benue, Taraba, Nasarawa und Bauchi war es in diesem Sommer wiederholt zu schweren Unruhen mit hunderten von Toten und mehreren zehntausend Flüchtlingen gekommen.

Der jetzige Fall wäre auch nicht der erste Rachefeldzug der Armee seit Beginn der Demokratisierung vor gut zwei Jahren. Nachdem Milizbanden im Nigerdelta vor zwei Jahren sieben Polizisten ermordet hatten, töteten Soldaten in der 15.000-Einwohnerstadt Odi nach Angaben von Hilfswerken bis zu 3.000 Menschen. Doch im Unterschied zum jetzigen Fall wird bis heute vermutet, dass damals die höchsten Armee- und Regierungskreise in der noch unsicheren Demokratie den Marschbefehl gaben, um ein Exempel zu statuieren und die Ölförderung zu sichern. Der damalige Armeechef General Victor Malu entschuldigte den Rachefeldzug gegen die Stadt Odi damals als Selbstverteidigung. Jetzt wurden Verwandte von Malu und sein Heimatdorf selbst zu Opfern der Gewalt.

Auch wenn Vertreter der betroffenen Dörfer den Rücktritt des amtierenden Verteidigungsministers fordern, könnte die Entscheidung diesmal auch auf unterer Ebene gefallen sein. Verteidigungsminister Theophilus Danjuma ist Angehöriger einer der rivalisierenden Volksgruppen. Ihm wurde bereits zuvor unterstellt, er habe den Konflikt mitgeschürt.

Präsident Olusegun Obasanjo reist mittlerweile wöchentlich von einem Gewaltschauplatz zum nächsten. Vergangene Woche überzeugte er sich selbst von den Schlachten zwischen Muslimen und Christen in der nordnigerianischen Stadt Kano. Davor war er in der Nachbarstadt Jos.

Seit Anfgang September kamen in beiden Städten mindestens 1.000 Menschen ums Leben. Die Konflikte zwischen Muslimen und Christen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan. In Nordnigeria steigt vielen Muslimen die Pro-Bin-Laden-Stimmung zu Kopf.

Religiöse Vertreter und die Regierung beschuldigen einzelne Kriminelle, die Unruhen zu entfachen, die dann an tödlicher Dynamik gewinnen. Doch ist nicht zu übersehen, dass eine Politisierung der Religion sehr leicht fällt. Auch halten sich Gerüchte, dass viele muslimische arbeits- und perspektivlose Jugendliche von ihren traditionellen und religiösen Führern angespornt würden. Im Vergleich zu den Muslimen geht es den oft besser gebildeten und geschäftstreibenden Christen meist wirtschaftlich besser. Präsident Obasanjo spricht hingegen weiter von kriminellen Individuen, die sich unpatriotisch verhielten.

HAKEEM JIMO

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