: Freie Hand für Polizei und Geheimdienste
US-Präsident Bush unterzeichnet ein Gesetzespaket zur Terrorbekämpfung, das dem Staat bei Geldgeschäften wesentlich mehr Rechte einräumt. Bei einem früheren Versuch, solche Regellungen einzuführen, hagelte es Proteste
WASHINGTON taz ■ Geheimdienste und Polizei dürfen sich freuen. Sie haben freie Hand wie noch nie. Am Freitag unterzeichnete Präsident George W. Bush ein umfangreiches Gesetzespaket zur Terrorbekämpfung. Der Staat erhält dadurch erweiterte Befugnisse beim Zugriff auf elektronische Daten, bei der Überwachung von Internet-Kommunikation und Geldgeschäften.
Kritiker warnen nun vor einem Polizeistaat, der stärker denn je in die Privatsphäre der Bürger eingreift. Selbst Befürworter des neuen Gesetzes sehen die Gefahr, dass unschuldige Personen überwacht werden. Sie geben jedoch zu bedenken, dass die Regelungen auf vier Jahre begrenzt sind und danach im Kongress auf ihre Tauglichkeit überprüft werden müssen.
Der Angriff auf die bürgerlichen Freiheiten hätte in der Vergangenheit stürmische Debatten im Kongress entfacht, doch die Widersacher wurden im Gefolge des 11. September kaum gehört. Auch die Proteste aus der Finanzwelt blieben aus, obwohl sie von den neuen Bestimmungen besonders hart betroffen ist. Hatten sich die Geldinstitute früher heftig gegen das Aufweichen von Bankgeheimnissen gewehrt, sehen sie sich nun dem weltweit schärfsten Gesetz zu Geldwäsche und Transaktionen ausgesetzt.
Banken werden nun selbst zu Fahndern. Sie müssen versuchen, so viele Informationen wie möglich vor allem über ihre ausländischen Kunden zu bekommen. Ein Bankangestellter darf sich nicht länger darauf verlassen, was ein Kunde ihm bei der Konto-Eröffnung erzählt.
Das neue Gesetz ermöglicht auch die Zusammenarbeit zwischen Banken und dem US-Geheimdienst CIA. Seine Agenten können Geschäftsberichte einsehen und Geldüberweisungen von oder auf Konten von US-Bürgern überprüfen. „Es ist das erste Mal, dass die CIA mit offenen Armen eingeladen wird, interne Firmenvorgänge zu beobachten“, moniert die Organisation Money Laundering Alert, die sich mit dem Problem der Geldwäsche beschäftigt.
Viele der Bestimmungen waren bereits vor dem 11. September in Vorbereitung, um der Regierung mehr Möglichkeiten im Kampf gegen den Drogenhandel zu geben. Sie sehen vor allem ein schärferes Vorgehen gegen ausländische Banken vor, die us-amerikanische Bankdienstleistungen nutzen, um Geld für ihre Kunden zu waschen. Das Ziel: Solche Geldinstitute aus dem US-Finanzsystem zu entfernen und heraus zu halten.
Vor drei Jahren versuchten Senatoren und Abgeordnete schon einmal, ähnliche Regeln in Kraft zu setzen. Promt hagelte es 300.000 schriftliche Beschwerden an den Kongress. Kritiker bemühten sich, vorzurechnen, dass Aufwand und Kosten der Vorschriften für den Staat weit höher sind als der Nutzen durch erhaltene Informationen. Würden alle vorgeschriebenen Finanztransaktionen aktenkundig gemacht, kämen auf die Wirtschaft jährlich rund 10 Milliarden Dollar an Kosten zu. Aber nach dem 11. September haben sich auch hier Kalkül und Werte geändert.
Trotz der weitreichenden Befugnisse gibt es Zweifel, dass die Gesetzeshüter den geheimen Finanz-Netzwerken der Terroristen auf die Schliche kommen. Ermittler gehen nämlich davon aus, das sie sich bei ihrer Geldbeschaffung vorwiegend auf traditionelle muslimische Geschäftsverbindungen stützen können, den sogenannten „Hawalas“. Diese müssen sich nun wie normale Banken registrieren lassen und über verdächtige Zahlungsanweisungen berichten. Es ist unwahrscheinlich, dass sie dies tun werden. MICHAEL STRECK
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