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Die Mutter aller Ampeln

■ In Berlin stehen die Zeichen auf Ampel. Wie funktionierte eingentlich die erste rot-gelb-grüne Landesregierung? Die taz sprach mit Ex-Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) und Ex-Wirtschaftssenator Claus Jaeger (FDP) „Fücks und Jaeger kamen nicht miteinander klar“

taz: Sie haben in Bremen vor zehn Jahren die Mutter aller Ampelkoalitionen gegründet. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Klaus Wedemeier: Einerseits gestaltete sich die Zusammenarbeit als sehr, sehr schwierig. Auf der anderen Seite haben wir Beschlüsse von Bedeutung gefasst. Das Sanierungsprogramm, das heute noch Grundlage der großen Koalition ist, ist in der Ampel einstimmig beschlossen worden. Aber es trägt eindeutig die Handschrift von zwei damaligen SPD-Ressorts, nämlich Rathaus und Finanzverwaltung. Die Sachentscheidungen können sich sehen lassen, die Zusammenarbeit war aber nervenaufreibend.

Warum?

Weil wir es nicht nur mit zwei Parteien zu tun hatten, sondern auch mit zwei Personen: Ralf Fücks und Claus Jäger, die überhaupt nicht miteinander klarkamen.

Die mochten sich nicht?

Ja. Jeder für sich war kompetent, aber in der Zusammenarbeit haben sie es einfach nicht geschafft, über ihren Schatten zu springen.

Etwas konkreter, bitte.

Egal, ob es um Flächennutzungs-pläne ging, ob es um Bebauungspläne ging, ob es um Verkehrsplanung ging, es hat sich immer unerträglich lange hingezogen, bis da überhaupt mal was zustande kam. Das gab dann diesen Kleinkrieg.

Haben sie sich richtig gezofft?

Richtigen Zoff gibt es natürlich auch bei einer absoluten Mehrheit. Nur dieser Dauerstreit... Zoff ist okay und tut gut, aber Dauerstreit tut eben nicht gut.

Wäre eine Koalition mit zwei Partnern nicht besser gewesen?

Ich wollte schon 1991 eine große Koalition haben. Der CDU-Spitzenkandidat Ulrich Nölle hat ja noch am Wahlabend abgelehnt – vor laufender Kamera. Herr Neumann hat später gesagt: ,Geh mal zu den Grünen, und wenn du da scheiterst, kannst du zu uns kommen.' Darauf konnte ich mich natürlich nicht einlassen. Aber auch meine Partei wollte 1991 keine große Koalition, weder Henning Scherf noch andere führende Sozialdemokraten. Die wollten auch 1995 noch keine große Koalition. Die SPD ist zur großen Koalition erst über die Basisabstimmung gezwungen worden.

Welche Fehler könnte eine Berliner Ampel vermeiden?

Ich bin nicht generell gegen eine Ampel, in Bremen würde ich das nicht mehr empfehlen. Man muss darauf achten, dass in der täglichen Arbeit die beiden Parteien, Grüne und FDP, möglichst nichts miteinander zu tun haben. Die Ressorts müssen so verteilt sein, dass es keine Notwendigkeit gibt, sich ständig abzustimmen. Nehmen wir mal die Ressorts Wirtschaft und Umwelt...

Die müssen bei einer Partei sein?

Jedenfalls nicht zwischen Grünen und FDP aufgeteilt. Als Bürgermeister hat man immer das Problem, dass Sie dauernd eingreifen müssen, damit die überhaupt zusammenkommen. Jedenfalls war das in Bremen so. Gut wäre, wenn die Berliner sich die Bremer und auch die Brandenburger Erfahrung mal genau angucken.

Sollten die Berliner besonders strikte Vorabsprachen treffen?

Die Koalitionsvereinbarung darf möglichst keine Prüfaufträge enthalten. Das war ja der Punkt, wo es in Bremen viele Reibereien gegeben hat. Besonders auf den kritischen Feldern Wirtschaft, Verkehr, Umwelt darf man nichts offen lassen, die müssen wasserdicht sein.

Auch das Abstimmungverhalten im Bundesrat kann problematisch werden.

Wenn ein Koalitionspartner nicht der Bundesregierung angehört – sagen wir mal ganz deutlich die FDP –, dann muss davon man ausgehen, dass die FDP immer blockiert. Und zwar aus parteipolitischen Gründen. Deshalb ist es wichtig, dass der Bürgermeister die letzte Entscheidung darüber hat, wie man sich im Bundesrat verhält. Gerade für ein Land, das sich in einer Haushaltsnotlage befindet und auch auf die Hilfe der Bundesregierung angewiesen ist.

Hat sich die Ampelkoalition positiv für Bremen ausgewirkt?

Sich hat sich nicht negativ für Bremen ausgewirkt...

...das ist ja nicht besonders viel.

...nein, das ist nicht besonders viel. Aber wenn Sie sich anschauen, womit in der großen Koalition Furore gemacht wird, dann muss man schon sagen, dass der Grundstein vielfach in der Ampel gelegt worden ist.

Herr Jäger sieht auch gute Seiten an der Zusammenarbeit.

Es gibt auch Masochisten in der Politik.

„Ich habe Ralf Fücks auf der Oppositionsbank schätzen gelernt“

taz: Wie waren Ihre Erfahrungen mit der Ampel?

Claus Jaeger: Durchwachsen. Aber die gelb-rot-grüne Koalition war besser als ihr Ruf. Außerdem gab es nach den 1991er Wahlen auch keine Alternative zu dieser Koalition. Die SPD hatte dramatisch verloren, die CDU zugelegt, FDP und Grüne waren relativ stabil geblieben. Am Wahlabend fragte ich den CDU-Spitzenkandidaten Ulrich Nölle, ob wir über eine ,schwarze' Ampel verhandeln sollten. Aber die CDU war noch nicht weit genug für ein Zusammengehen mit den Grünen. Wenn wir keine Ampel gebildet hätten, hätte es in Bremen keine Regierung gegeben.

Wie war die Zusammenarbeit mit dem linken Koalitionspartner?

Wir waren engagiert und kreativ. Aber natürlich gab es häufig Kontroversen – mit Ralf Fücks als Umwelt- und mir als Wirtschaftssenator war der klassische Grünen-FDP-Konflikt vorprogrammiert. Die Grünen wollten Rückbau, die FDP Aufbauen.

Sie beide sollen sich ja auch persönlich nicht grün gewesen sein.

Völliger Unfug. Wir hatten uns in vier Jahren auf der Oppositionsbank kennen und schätzen gelernt. Aber: Wir waren oft gegensätzlicher Meinung. Wenn einer in der Senatsrunde nicht die passenden Antworten hatte, war das schlecht für ihn. Also nickte der Senat nicht nur – wie heute – alles ab. Das war ein politisches Gremium, in dem hart diskutiert und abgewogen wurde.

Klaus Wedemeier sagt, FDP und Grüne hätten die Senatsarbeit blockiert.

Damit versucht er nur, die Orientierungslosigkeit der damaligen SPD zu kaschieren. Wedemeier zeigte anfangs eher Sympathien für die FDP, etwa Ende 1993 änderte sich das jedoch – analog zur bundespolitischen Stimmung in der SPD.

Hätte die Ampel wirklich an der „Piepmatz-Affäre“ scheitern müssen?

Dieser Ausdruck ist eine unangemessene Verniedlichung der Fakten. Letztlich war das nur Auslöser, nicht Ursache für das Scheitern der Ampel. Wir konnten gar nicht anders als Fücks' Rücktritt zu fordern. Schließlich hat er mit der Ausweisung von 22 Prozent Bremer Gebiets als Vogelschutzgebiet unsere Gewerbeflächenpolitik massiv hintertrieben. Den Grünen ist es gelungen, sich als Opfer darzustellen und eine Kampagne gegen mich und die FDP zu inszenieren. Deshalb gingen die 95er Wahlen für uns verloren.

Aber auch die SPD war müde, weiter mit den beiden Zankhähnen zusammenzuarbeiten, stimmt's?

Das ist die taktische Argumentation von Hern Wedemeier. Der sagte einfach: ,Die beiden streiten immer, ich möchte ruhig weiterarbeiten.'

Würden Sie heute noch einmal eine Ampel-Koalition eingehen?

Nein. Heute versuchen die Grünen, eine schlechte Kopie der früheren FDP zu sein. Sie haben keine Prinzipien mehr.

Was ist Ihre Wunsch-Koalition nach den Bürgerschafts-Wahlen 2003?

Das entscheidet der Wähler, nicht ich. Unser Ziel ist es, wieder in die Bürgerschaft einzuziehen.

Mit 18 Prozent?

Das ist die Zielzahl der FDP für die Bundestagswahl 2002.

Fragen: Kai Schöneberg

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