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„Diyalog ariyoruz“

„Wir suchen den Dialog“: Die Sozialarbeiterin Safiye Yildiz kritisiert Ausgrenzungstendenzen von Seiten der Migranten und der deutschen Gesellschaft

taz: Frau Yildiz, Sie arbeiten bei der Fita, dem Verein zur Förderung der interkulturellen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsen. Als Sozialarbeiterin kennen Sie soziale Brennpunkte wie Kreuzberg. Hat nach vierzig Jahren Migration eine Integration stattgefunden?

Safive Yildiz: Das Miteinander fehlt im alltäglichen Leben. Es existiert bei der Arbeit, in der Schule und ein bisschen im Kulturbereich. Wenn man sich für die gleichen Interessen einsetzt – sei es in der Schule oder am Arbeitspaltz –, kommt man sich näher, ohne dass man fragt, aus welcher Kultur der andere stammt. Aber genau dieses Gemeinsame, dieses Einsetzen für eine Sache, fehlt hier. Dadurch könnte sich ein Miteinander viel schneller und natürlicher entwickeln.

Aber gerade bei Jugendlichen gibt es doch über die Schule viele Berührungspunkte?

Leider ist es so, dass die türkischen Kinder vor allem von islamistischen, aber auch von nationalistischen Organisationen stark in ihre Kultur eingebunden werden sollen. Man sagt ihnen: Ihr sollt eure Identität behalten. Aber eigentlich ist das Ziel, unter sich zu bleiben.

Also gehen Abschottungstendenzen mehr von türkischen Organisationen als von der deutschen Gesellschaft aus?

Beides. In der deutschen Gesellschaft gibt es einen institutionellen Rassismus, der ausgrenzt.

Was heißt das?

Es gibt das Ausländergesetz, jetzt kommt die Rasterfahndung dazu, wodurch Migrantinnen generell als Islamisten unter Verdacht geraten.

Wie agiert Ihr Verein gegen Ausgrenzungstendenzen?

Man muss sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Unsere Forderungen sind immer gewesen: Die Ausländergesetze, die es schon seit der Anwerbung gibt, müssen weg. Es heißt im Ausländerrecht: Wer die Belange der Bundesrepublik stört, kann ausgewiesen werden. Zum Beispiel wenn Jugendliche straffällig werden, heißt es dann, sie stören die Belange der Bundesrepublik, und sie müssen sogar mit Ausweisung rechnen.

Wie lange leben Sie schon hier?

21 Jahre. Ich bin mit elf Jahren hergekommen, habe hier Diplompädagogik studiert und arbeite nun als Sozialarbeiterin.

Was sind die größten Probleme bei Ihrer Arbeit?

Die hohe Arbeitslosigkeit. Unser Verein liegt im Bezirk Mitte an der Grenze zu Kreuzberg, sodass wir auch von dort Zulauf haben. In Kreuzberg zum Beispiel liegt die Arbeitslosigkeit bei 42 Prozent. Das bringt Familienprobleme mit sich, weil die ökonomischen Verhältnisse nicht stimmen. Der psychische Druck bei den Leuten ist sehr hoch. Wir versuchen zu helfen und wir machen bildungspolitische Arbeit auch mit deutschen Jugendgruppen gemeinsam. Wir suchen den Dialog.

Versteht sich Ihr Verein als Konkurrenz zur Arbeit der Islamisten?

Wir sind eine der ganz wenigen Alternativen zu den islamistischen und nationalistischen türkischen Vereinen. Tatsache ist, dass diese islamistischen Organistionen viel mehr Geld haben und auch unterstützt wurden.

Von wem?

Auch mit öffentlichen Geldern. Bei uns bin ich die Einzige, die als Sozialarbeiterin tätig ist, und wir bekommen gerade mal die Miete, eine Stelle und einige Sachkosten vom Bezirksamt Mitte finanziert.

Es müsste doch starkes Interesse seitens des Bezirksamtes an ihrer Einrichtung geben?

Das haben wir auch immer gedacht. Wir wissen aber nie, ob das bisschen Unterstützung weitergeht. Wenn die Jugendlichen nicht mehr zu uns kommen können, gehen sie vielleicht in die Moscheen, weil man ihnen da viel mehr anbieten kann.

INTERVIEW: EDITH KRESTA

In der Reihe „Miteinander statt nebeneinander“ finden weitere Veranstaltungen statt: 3. November: Diskussion und Vorträge zum Thema „Gemeinsam gearbeitet, gekämpft, Deutschland aufgebaut – vom Gastarbeiter zum Mitstreiter“. Ort: IG-Metall-Haus, Alte Jakobstraße 149, 10969 Berlin; 10. November: „Hat die Jugend die Integration verpasst?“ Ort: TU Berlin, Saal H 110, mit anschließender Party.

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