piwik no script img

Damit wäre Microsoft fein raus

Der amerikanische Staat und der Softwarekonzern stehen im US-Kartellverfahren angeblich vor einer gütlichen Einigung. Dabei hat das Betriebssystem Windows XP schon wieder neue Diskussionen über unzulässige Bündelungen ausgelöst

Windows XP hilft der leidenden Branche:Es macht neue Rechner nötig

von REINER METZGER

Der weltweit beherrschende Softwarekonzern Microsoft braucht eine Zerschlagung oder andere harte Maßnahmen der US-Kartellbehörden nicht mehr zu fürchten. Aus Verhandlungskreisen verlautete gestern, eine Einigung im seit Jahren betriebenen Kartellverfahren könne eventuell schon Freitag verkündet werden. US-Medien berichten, das vorgeschlagene Abkommen mit der Bundesregierung und 18 klagenden Bundesstaaten sehe vor, dass Microsoft den Computerherstellern mehr Rechte bei der Einbindung der einzelnen Komponenten einräumen muss. Auch der Umgang mit den Quellcodes soll in dieser Übereinkunft geregelt werden. Das Abkommen gelte für fünf Jahre, vorausgesetzt Microsoft halte sich daran – wenn nicht, gelte es zwei Jahre länger.

Von einer Zerschlagung des Konzerns war schon länger nicht mehr die Rede. Offenbar geht es nun auch nicht mehr um die Entbündelung der verschiedenen Programme und des zu Grunde liegenden Betriebssystems Windows. Der ursprüngliche Vorwurf an Microsoft: Es nutze sein Quasimonopol beim PC-Betriebssystem, um seine eigenen Anwendungen (wie Internetbrowser oder Mailprogramme) unerlaubt zu pushen. Die industriefreundliche Bundesregierung ist angeblich für einen baldigen Vergleich, einigen Staaten gehen die bisherigen Entwürfe aber nicht weit genug.

Parallel zum US-Verfahren ermittelt EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti gegen Microsoft. Der Ausgang ist noch ungewiss.

Die Einstellung des Verfahrens in den USA dürfte Unmut in der Softwaregemeinde auslösen. Denn mit seinem Ende Oktober vorgestellten neuen Betriebssystem Windows XP bindet Microsoft seine User enger an sich als je zuvor. Beim Start des Computers schlägt das System immer erst Software des Konzerns oder von dessen Partnerfirmen vor. Programme anderer Firmen nutzen daher wohl nur Kunden, die aktiv danach suchen. Wer die Bequemlichkeit liebt, nimmt einfach die angebotenen Microsoft-Programme. Das Unternehmen aus Redmond im Bundesstaat Washington wird so wohl auch seinen Marktanteil bei Internet-, Musik- oder Videoprogrammen weiter steigern können. Denn das neue Windows XP und seine Programmgemeinde laufen nach ersten Tests stabil und benutzerfreundlich. Die Vorherrschaft der Softwarefirma auf ihren angestammten Feldern ist inzwischen überwältigend. Bei Personal Computern liefert Microsoft derzeit 91 Prozent der Betriebssysteme, so eine Studie der International Data Corporation für das Jahr 2000. Die Nummer zwei dürfte mit geschätzten fünf Prozent das frei erhältliche Linux sein, dann folgt Apple mit gut vier Prozent. Bei den Firmen-Knotenrechnern (Servern) hält Linux immerhin etwa 30 Prozent Marktanteil.

Linux-Freunde und Microsoft-Feinde hoffen nun auf die hohen Softwarepreise und die ungeliebten Lizenzbedingungen von Microsoft: Sie könnten die Kunden zu billigeren Alternativen umleiten. So steigt der brasilianische Bundesstaat Rio Grande do Sul auf Linux um. Laut Business Week spart er dadurch Softwarelizenzkosten in Höhe von 20 Millionen US-Dollar.

Auch Schulen und Behörden in Industriestaaten könnten angesichts knapper Kassen umsteigen, so das Kalkül. Denn Windows XP läuft nur vernünftig auf Computern mit einem Arbeitsspeicher mit mehr als 128 Megabyte und den neuesten schnellen Chips. Das freut die Hersteller der Computer, denn da werden viele neue Rechner fällig. Windows XP ist also sozusagen ein Konjunkturprogramm für die leidende Branche, Microsoft wäre damit ein wichtiger Partner der Regierung. Da wird bestimmt nicht durch ein hartes Kartellurteil dazwischen gefunkt.

Hintergründe zu Microsoft: www.km21.orgZum Programm: www.microsoft.de, www.heise.deAlternativen:livingwithoutmicrosoft.org

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen