Indianer in eigener Sache

■ Das Chinelo-Theater widmet sich mit Vergnügen dem Thema Tod. Das kleine Theater aus Leidenschaft zeigt seine dritte Produktion

„Wenn ich tot bin, möchte ich auch so eine coole Ofrenda“, grölen die Figuren mit Totenkopfmasken. „Ich möchte eine Kiste Bier und Zigaretten“, wünscht sich die eine. „Eine große Paella und Sangria“, der andere. Bunt und laut wirft Abiud Aparicio Chinelo, Erfinder und Leiter des Chinelo-Theaters, das Thema Tod in den Raum und entfaltet in seinem Theaterstück „Las Calaveras“ (die Totenschädel) einen Reigen der Umgehensweisen damit.

Ofrenda – das ist die Opfergabe für die Toten. Der Tod: für Europäer oft ein Tabuthema – in Mexiko gefeiert und in vielerlei Gestalt verehrt; Chinelo zeigt mit seiner achtköpfigen Truppe jugendlicher Schauspieler, dass Totenkulte die Angst vor der Ungewissheit verjagen können. Die Geigerin, die das Stück durchweg begleitet, trägt ebenfalls eine Totenkopfmaske. Schauerlich sieht sie aus, einerseits; zum Schreien komisch, andererseits. Wie diese Figur wird das ganze Stück vom trockenen Humor des Autors Abiud Chinelo getragen.

Im kleinen Raum des Chinelo-Theaters im Steintor bringt das Stück auf drei Bühnen oder Altaren die magischen Kulte, die Ankunft des Christentums und seine heutigen Mischformen zur Anschauung. Abiud . Chinelo distanziert sich vom abstrakten Todesbild konservativer Katholiken ebenso wie von Amerikas kommerziell verkitschtem Halloween-Kult als einer der modernsten Ofrendas.

Abiud Chinelo möchte den Zuschauern die Geschichte und Kultur der Indianer Mexikos näher bringen. Und zwar in seinem eigenen Theater. Ein Indianer in eigener Sache, sozusagen. Und ein Bilderbuch-Künstler dazu: Der fünfzigjährige Mexikaner lebt seit 16 Jahren in Deutschland und steht schon 35 Jahre auf der Bühne. Mit großen Gesten erzählt er: „Ich habe mir immer gewünscht, eine eigene Bühne zu haben, um zu experimentieren.“ Mit der Eröffnung des Chinelo-Theaters im Dezember letzten Jahres hat er sich seinen Traum erfüllt. „Las Calaveras“ ist das dritte Projekt im eigenen Hause.

Chinelo bekommt keine dauerhafte finanzielle Förderung von der Stadt. Er hält sich und sein Theaterhaus von Aufführung zu Aufführung mit Projektmitteln über Wasser. Das Theater lebt von seinem künstlerischen Idealismus und von der Liebe zu seiner Heimat: „Ich habe mich auf das Thema Lateinamerika spezialisiert.“

Sein Stück wird in Bremen auf Deutsch gespielt, er hat es aber auch in die Sprachen Spanisch und Nahuatl, der Sprache der Indianer Mexikos, umgesetzt. Eventuell ist auch das ein oder andere Gastspiel in Mexiko drin; oder in deutschen Kirchen. Und das wäre dann fürwahr ein berauschender Anblick: Zwei Totenschädel, die entgegen den abstrakten, abendländisch-christlichen Vorstellungen den Tod personalisieren, ihn feiern, tanzend zwischen Chor und Seitenaltar. brit

Heute und morgen jeweils um 20 Uhr im Chinelo-Theater in der Feldstraße 103.