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Mehr Tech für die Gymies

■ Wirtschaft und Grüne einig: Huchting braucht naturwissenschaftlichen Schwerpunkt

Seit Monaten diskutieren Politiker über die Schulstruktur in Huchting. Im Bürger- und Sozialzentrum Huchting präsentierten Anfang der Woche VertreterInnen der Wirtschaft das Konzept einer naturwissenschaftlich-technisch profilierten Projektschule für Huchting – ausgerechnet auf Einladung der Grünen. Die Gesamtschule Hermannsburg würde dieses gerne mit einer gymnasialen Oberstufe umsetzen, die Grünen befürworten das. Bremer Schulen und die Universität hatten gemeinsam mit der Wirtschaft ein Konzept entwickelt, das versucht, schulische Bildung mehr mit beruflicher Praxiserfahrung zu verbinden.

Die naturwissenschaftliche Ausrichtung der geplanten Projektschule ergibt sich für die Wirtschaft und auch für die Grünen aus dem aktuellen Mangel an Ingenieuren. Dr. Iris Spiess vom Verein Deutscher Ingenieure in Bremen warnt vor „einer bedenklich geringen Zahl an Ingenieuren und Studenten im technischen Bereich“. Die Gründe dafür sieht Spiess nicht nur im allgemeinen Bevölkerungsrückgang, sondern vor allem in der schulischen Bildung. „Was im naturwissenschaftlichen Unterricht stattfindet, ist überhaupt nicht ansprechend“, klagt die Fachfrau.

Und das zeige sich dann auch in der Praxis. Viele Unternehmen seien sehr unzufrieden mit dem Bildungsstand von ihren Schüler-PraktikantInnenen. Nicht nur das technische Wissen sei mangelhaft, auch in der Allgemeinbildung „fehlt es selbst an einfachsten Dingen“, weiß Spiess zu berichten.

Die Kombination mit anderen Bereichen spielt deshalb für die ErfinderInnen eine große Rolle: „Wir brauchen Nachwuchs mit breit gefächertem Wissen.“ Musik, Kunst und Sprache seien aus der naturwissenschaftlichen Ausbildung nicht wegzudenken.

Weiterhin sollen SchülerInnen lernen, sich selbst besser darzustellen. Denn Wirtschaft und Gesellschaft forderten zunehmend die Fähigkeit, sich selbst und die Produkte gut zu „verkaufen“.

Wilfried Hornung, Leiter des Gymnasiums Vegesack hatte vor Jahren festgestellt, „dass die Anforderungen im wirklichen Leben anders sind als wir es unterrichten“. Das Gymnasium arbeitet jetzt mit einem Profilsystem. Die Oberstufler dieser Schule können zwischen fünf Profilbereichen wählen, anstatt wie früher Leistungskurse zu belegen. Entscheiden sie sich zum Beispiel fürs Profil „Kultur, Kommunikation, Werte“, lernen sie Neues in den Fächern Englisch, Darstellendes Spiel und Philosophie. Die Projektgruppe dieses Profiles hatte im letzten Schuljahr eine szenische Lesung mit philosophischen Inhalten in englischer Sprache erarbeitet. „Projektarbeit erfordert von unseren Schülern zwar mehr Engagement, bringt ihnen jedoch auch mehr Spaß“, berichtet Hornung. Zudem erfordere sie aber auch mehr Fähigkeit zur Teamarbeit, unter SchülerInnen wie auch unter LehrerInnen. „Da haben die Gesamtschulen Vorsprung“, betont er.

Und genau dort gehört die geplante technische Oberstufe für die Grünen in Huchting auch hin. Weil es eine starke, naturwissenschaftlich gebildete Mittelstufe an dieser Schule gibt, finden es Wirtschaft und grüne PolitikerInnen sinnvoll, darauf aufzubauen.

Die Bildungsbehörde lehnt das Konzept ab. „Grundsätzlich haben wir nichts gegen ein naturwissenschaftliches Profil“, betont Oberschulrat Jürgen Bruns bei der Diskussionsveranstaltung. Man fürchte sich aber vor einer zu engen Ausrichtung des Konzeptes, wenn es an der Gesamtschule Hermannsburg umgesetzt würde: „Wir akzeptieren das Konzept gern, wenn es an einer Schule intergriert wird, die auch andere Schwerpunkte hat“.

Die CDU-Fraktion ist wie Bildungssenator Willi Lemke gegen den Ausbau der Gesamtschule bis zum Abitur. „Nichts“ hält Claas Rohmeyer, CDU-Bildungssprecher, von dem Gemeinschaftsvorschlag der Bremer Wirtschaft und der Grünen, die Gesamtschule an der Hermannsburg um eine natursissenschaftlich orientierte Oberstufe zu ergänzen. Ihr Interesse geht dahin, den (konkurrierenden) Huchtinger Schulstandort an der Delfter Straße attraktiver zu machen. Melanie Haselhorst

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