: Salsa statt Streik
Berlins ältestes Frauencafé, die Begine, und der gleichnamige Kulturverein feiern Geburtstag. Es grenzt an ein Wunder, dass es die beiden noch gibt
von HEIKE KLEFFNER
Die rote Neonschrift auf der strahlend weiß sanierten Fassade ist Programm und fällt ins Auge. „Begine – Kultur für Frauen“ leuchtet es den Passanten zwischen türkischen Restaurants und deutschen Billigdiscount-Läden auf der ansonsten novembergrauen Potsdamer Straße entgegen.
Der Blick durch die großen Fensterscheiben zeigt Frauen unterschiedlicher Altersgruppen und Stilrichtungen – mal punkig, mal damenhaft schick gekleidet –, die sich Händchen haltend in Zweierkonstellationen oder in großen Gruppen an hellen Caféhaus-Tischen drängen. Am Eingang laden grasgrüne Plakate mit rosarot geschminkten Kussmündern zur großen Party. Denn das älteste Frauencafé Berlins und der gleichnamige Kulturverein feiern am heutigen Samstag ihr 15-jähriges Jubiläum.
„Das poppige Plakat ist durchaus Ausdruck davon, dass die Begine nicht in den Achtzigerjahren stecken geblieben ist“, lacht Gerhild Vollherbst. Tatsächlich erinnert in dem Caféraum mit dem schwarzen Flügel nichts mehr an den maroden Altbau, der Mitte der Achtziger von Frauen besetzt und in jahrelanger Selbsthilfe saniert wurde. Stolz verweist die 36-jährige Politologin auf die projekteigene Website und einen E-Mail-Verteiler für Programmhinweise. Neben der Lesbenmotorradgruppe Towanda, dem „Emma-Club“ und dem „Stammtisch für Lesben ab 40“ treffen sich hier von 17-Jährigen aus der Nachbarschaft bis hin zur Sekretärin aus dem Berliner Umland Frauen zu ganz unterschiedlichen Anlässen.
„Die Zeit der großen politischen Initiativen ist allerdings vorbei“, sagt Gerhild Vollherbst. Statt zu „Frauenstreik“-Vorbereitungen kommt das Publikum heute zu Vorträgen über „Frauen und Geld“, Salsa- und Tangoabenden oder erotischen Lesungen. Manchmal, sagt die 45-jährige Marion Schmidt, die das Projekt noch aus den Gründerinnentagen kennt und heute das Programm koordiniert, wundere sie sich dann doch, wer sich beispielsweise zu Diavorträgen über „das Matriarchat in Sumatra“ im Veranstaltungshinterzimmer einfindet. „Da saßen Erstsemesterstudentinnen der Ethnologie neben 20 Jahre älteren Ladys.“
Dass der Verein und das Café, deren Name sich von einem mittelalterlichen Laienorden ableitet, in dem Frauen wirtschaftlich und sozial unabhängig von Männern lebten und arbeiteten, heute noch existiert, grenzt an ein Wunder.
Schließlich hatte die Begine von Anfang an mit allen Tücken selbst verwalteter Projekte, dem Ende einer gesellschaftlich sichtbaren und relevanten Frauenbewegung und den ständig wechselnden Trends des Publikums zu kämpfen. 1996 schien dann das Aus fast vorprogrammiert. Die drastischen Zuwendungskürzungen für Initiativen und Kulturprojekte des CDU/SPD-Senats reduzierten die Mittel des Vereins um die Hälfte.
Heute sind lediglich die Finanzierung einer einzigen 25-Stunden-Stelle und die Miete für die Räume gesichert. „Da helfen auch alle Weiterbildungskurse über Fundraising nicht viel, wenn man nebenher den Alltag des Vereins schmeißen muss“, resümiert Gerhild Vollherbst ihre Erfahrungen der letzten fünf Jahre. „Ohne das ehrenamtliche Engagement vieler Frauen wäre das Angebot jedenfalls wesentlich kleiner.“
Trotzdem: Der Trend zur Professionalisierung hat auch vor der Begine nicht Halt gemacht. Das Café wird mittlerweile von erfahrenen Wirtinnen betrieben. „Den Solidaritätsbonus für eine Frauenkneipe gibt es nicht mehr, stattdessen will das Publikum Service und Qualität“, haben die Macherinnen festgestellt. Ein Anspruch, der durchaus auch hausgemacht ist. Die Zeiten, „in denen wir als gesellschaftlich Benachteiligte aufgetreten sind, die einen Schutzraum brauchen“, seien eben vorbei, sagen Gerhild Vollherbst und Marion Schmidt unisono. Selbstbewusstsein ist angesagt. Auch angesichts der jüngsten Debatte um Geschlechterdekonstruktion, die die Notwendigkeit von reinen Frauen- und Lesbenorten mal wieder in Frage stellt. Den „eigenen Platz in der Vielfältigkeit behaupten“ lautet deshalb das aktuelle Motto.
Jubiläumsparty am Samstag, den 3. November, ab 19:30 in der „Weißen Rose“, Martin-Luther-Str. 77 in Schöneberg. Mehr Informationen unter: www.begine.de.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen