: Augenscheinlich unverwechselbar
„Inhaltlich sind eigentlich alle noch am Schwimmen“, welche Biometrie die beste ist. Als fälschungssicher und serienreif empfiehlt sich die Iriserkennung
von ULRIKE WINKELMANN
Man blinzelt nur eine oder zwei Sekunden in das verspiegelte Quadrat. Dann kommt die Stimme aus den Rillen über dem schwarzen Bullauge und spricht englisch: „Identification is completed“, sagt sie: Die Türschleuse öffnet sich.
Nun gut, die Szene kennt jeder aus Film und Fernsehen, „aber bei James Bond“, sagt Thomas Pätz, „wurde keine Iriserkennung gemacht“. Die gibt es in Serienreife erst seit 1999. Thomas Pätz von SD-Industries aus Gundelfingen demonstriert die Technik der Iriserkennung, weil er sie verkaufen will. Ein US-Amerikaner hält das Weltpatent; Pätz’ Firma ist die bislang einzige, die das Gerät in Europa vertreibt. Die Forschungszentren von BMW und Mercedes haben die dunklen Glasaugen an ihren Türen installiert, die Europäische Zentralbank in Frankfurt hat gerade testweise eine Anlage einbauen lassen.
Eine Iriserkennungsanlage besteht aus der optischen Einheit, die die besondere Struktur der Iris aufnimmt und in einen Computer einspeist, dem man den dazugehörenden Namen nennt. Das Glasauge an der Tür ist mit dem Rechner verbunden und erfährt von ihm, ob die entsprechende Person zu den gespeicherten Ausgewählten gehört.
SD-Industries vertickt das Gerät für 8.250 Euro für den Rechner plus 6.000 Euro für jede optische Einheit. Macht zum Beispiel 26.250 Euro oder 52.500 Mark für eine Anlage mit drei Türen.
Die Iris ist das Merkmal des Körpers, das als das unverwechselbarste gilt, denn ihre Struktur ist Produkt eines rein zufälligen Reißprozesses, der schon im Mutterleib abgeschlossen ist. Die Iris verändert sich ein Leben lang nicht mehr.
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Iris einer anderen gleicht, wird mit 10 hoch 78 abgegeben. Damit gilt diese Form der biometrischen Identifikation gegenwärtig als fälschungssicher – auch durch Brillen und Kontaktlinsen wird sie nicht beeindruckt. Medizinische Informationen, Drogenmissbrauch etwa, können nicht erfasst werden.
„Ich halte die Iriserkennung für das beste biometrische Verfahren“, sagt Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Datenschutz und Vizechef des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD). Grundsätzlich bezeichnet Weichert die ganze Debatte über biometrische Identifikationssysteme als aufgebauscht.
Aber mit dem „Sicherheitspaket II“ von Bundesinnenminister Otto Schily, das am 7. November ins Kabinett gehen und dann den Weg der Gesetzgebung antreten soll, ist das Kind der Datenschützer schon in den Brunnen gefallen: Nach dem Willen der rot-grünen Koalition soll qua Gesetz festgelegt werden, dass mindestens ein biometrisches Merkmal künftig – vermutlich in Form eines Chip – in Personaldokumente aufgenommen wird. Die Frage lautet nur noch, welches.
Der grüne Rechtspolitker Volker Beck, der mit Schily über das Anti-Terror-Paket verhandelt hat, erkärte vergangene Woche die Handgeometrie zur Lieblingsbiometrie der Grünen – das Verfahren, so Beck, sei vermutlich das günstigste und gewähre den größten Daten- und damit Grundrechtsschutz.
Insgesamt stehen jedoch vier Verfahren aus dem Sicherheitsbereich zur Debatte: Iriserkennung, Gesichtserkennung, Handvermessung und der gute alte Fingerabdruck. Grüne und Datenschützer lehnen Fingerabdruck und Gesichtserkennung sowieso ab. Der Grund dafür ist, dass sowohl Fingerabdrücke als auch Gesichtsbilder unabsichtlich hinterlassen und deshalb willkürlich gesammelt werden können: Sie sind Spuren. Und jede Datei mit Spuren weckt bei Fahndern Begehrlichkeiten. Als Traum des Bundeskriminalamtes gilt die zentrale Fingerabdruckdatei aller Bundesbürger. Jeder, der irgendwann an einem Tatort einen Fingerabdruck hinterlassen hat, käme damit unter Verdacht. Gleiches gilt für jeden, der sich an einem videoüberwachten Ort aufgehalten hat.
Die Handgeometrie (bei der die Hand auf eine Platte mit Sensoren gelegt und vermessen wird) und der Iris-Scan dagegen erfordern bewusste Kooperation. Dadurch sind die Techniken untauglich bei jeder Suche nach Tätern, sie können nur zur Identifikation herangezogen werden. Im Vergleich zur Iriserkennung gilt die Handvermessung allerdings als unzuverlässig.
Doch aus Daten- und Grundrechtsschutzperspektive ist nicht nur die Freiwilligkeit, mit der Daten geliefert werden, sondern auch die mögliche Speicherung interessant. Jede zentrale Form der Speicherung wird von Datenschützern abgelehnt: Sei es eine zentrale Großdatei etwa mit Fingerabdrücken beim Bundeskriminalamt, sei es eine Datensammlung bei den Herstellern der Chipkarten oder seien es Dateien, die dezentral etwa bei Meldeämtern geführt werden, aber vernetzt und damit zentralisiert werden könnten. Die einzige Speicherung, die ein Datenschützer wie Thilo Weichert dulden würde, ist, wenn etwa ein Fingerabdruck auf einer Chipkarte selbst erfasst und gespeichert wird. „Das ist zugegebenermaßen teuer“, sagt Weichert, „aber die einzige Garantie dafür, dass die Daten nicht gesammelt werden.“
Ob Grüne oder Datenschützer sich in der Debatte um die neuen Personaldokumente durchsetzen werden, ist fraglich. Doch haben sie dieselben Ratgeber wie Otto Schily: Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik etwa sitzt mit Weicherts ULD in ein und demselben Verein zur Erforschung biometrischer Verfahren: Teletrust, der „Kompetenzverbund zur Förderung der Vetrauenswürdigkeit von Informations- und Kommunikationstechnik“. Die Teletrust-Arbeitsgruppe Biotrust hat an der Fachhochschule Gießen-Friedberg ein Biometrie-Projekt gestartet, auch um zu überprüfen, welche Verfahren am besten akzeptiert werden.
In der Mensa stehen hier alle möglichen Erkennungsgeräte, mit denen die Studierenden herumspielen können. Erkenntnisse darüber, welches die beste Biometrie sei, sind dabei aber noch nicht angefallen, sagte Thomas Probst, der für das ULD in der Biotrust-Arbeitsgruppe sitzt. „Inhaltlich sind eigentlich noch alle am Schwimmen.“
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