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Zufallsentdeckungen am Tresen

■ Zu Bildern tanzen: Junge KünstlerInnen im Molotow

Seit Juni vergangenen Jahres öffnete der Musikclub Molotow einmal im Monat seine Türen außerhalb des normalen Betriebes, und für sechs Stunden – von 12 bis 18 Uhr – war dort junge und vorrangig Hamburger Kunst zu sehen. Mit 12-18, Arbeiten für Molotow verlassen die OrganisatorInnen jetzt diesen Rhythmus und mischen 36 KünstlerInnen (bzw. deren Exponate) für drei Wochen direkt unter das tanzende Volk. Jean-Babtiste Farkas hat den Raum, auf den sich auch die meisten der Arbeiten beziehen, zu diesem Anlass subtil in „Molotov“ umbenannt.

Fotografien und Zeichnungen, Videos und Installationen fügen sich nahtlos in das schummrig-bunte Ambiente. Über der Tanzfläche haben Lene Desmentik und Kirsten Dufour eine „feminine“ Entlüftungsanlage aus roten Strohhalmen eingerichtet, Gabi Schaffners Anagramme kalauern neben den Sitzgruppen („mietshaus/atheismus“), Markus Binner lässt am Tresen bayrischen Obstler ausschenken und Heiko Neumeister hat ein wirres Diagramm aus Trinkskizzen und weisen Kommentaren („weg ist weg“) an die Holzwand geheftet – wohl zu vorgerückter Stunde.

Geschickt und gleichberechtigt plaziert an Stellen, wo sich die meisten Menschen aufhalten, warten die Kunstwerke unaufdringlich auf ihre Entdeckung. Ehe man sich versieht, lehnt man an Sven Tempers Tresentrennwand und betrachtet entzückt Christiane Geiselmanns wackeliges Après-Ski-Videotagebuch oder die Arbeiten von Karen Michel-Castañón, Maren Paulat und stummmedias im Raum, als gehörten sie zum Inventar.

Eine historische Annäherung wählt dabei Alexander Rischer: 1939 unterzeichneten Ribbentrop und Molotow den so genannten Nichtangriffspakt; im Juni 1941 brach das Deutsche Reich den Vertrag und überfiel die Sowjetunion. Auf einem Flohmarkt erstand Rischer Negative, die ein Wehrmachtsoldat auf diesem Feldzug gemacht hat. Nicht die üblichen Landser-Fotos, wie Rischer bemerkt, sondern interessiert an dörflichen Artefakten: Tonkrüge, ein Holzpferd, eine Truhe. Und bis auf ein halb abgerissenes Stalin-Portrait lassen die glänzenden Abzüge kaum etwas von den Hintergründen erahnen.

Zufallsentdecker und bewusste Betrachter dürften im Molotov(w) gleichermaßen vom Überraschungs- und Verstörungseffekt erwischt werden. Und wer gar nichts bemerken sollte, kann sich an Hildur Jonsdottirs beschwörende Formel halten: „I'm not really sure what it was. But it was good.“

Christian T. Schön

bis 24. November, Molotow, Spielbudenplatz 5, zu den üblichen Club- und Konzert-Öffnungszeiten; 11. + 18.11., jeweils 20 Uhr: Lesungen/Musik; 24.11., 21 Uhr: Party. www.12bis18.de

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