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„Kultur darf nicht so betrachtet werden“

■ Darf man die Kosten von Oper und Musical vergleichen? Intendant Pierwoß sagt: Nein. Glocke-Chefin Schmiel: Wirtschafts-Leute müssen bei Kultur Klasse und Masse unterscheiden

Der Intendant des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß, ist von der Bremer Politik harte Bandagen gewohnt. Aber er kann sich jedesmal wieder empören. „Porgy und Bess ist noch teurer“ war am Wochenende eine Schlagzeile des Weser Report, der Zeitung der KPS-Gruppe, die mehr staatliche Zuschüsse für ihr Musical Hair eingefordert hat. Aber das Blatt zitiert damit nicht den Unternehmer und Verleger Klaus-Peter Schulenberg, sondern Bremens Finanz-Staatsrat Günter Dannemann. Der Staatsrat addierte am Beispiel des Messe-Zentrums, des Musicals, des Theaters und der Glocke die Zinslasten für die von der Stadt finanzierten Investitionen zu den laufenden Zuschüssen und dividiert die Summe durch die Anzahl der pro Jahr verkauften Karten. Ergebnis: Ein Musical im Goethe-Theater – Beispiel Porgy&Bess – werde mit ca. 40 Mark pro Karte bezuschusst, rechnete der Finanzexperte vor, das Musical Jekyll&Hyde sei mit 23 Mark pro Karte ausgekommen.

Das provoziert den Theater-Mann. „Porgy&Bess ist kein Musical, sondern eine Oper“, sagt Pierwoß. „Und wenn Dannemann das Stück von Karl Kraus meint, das wir mit großer bundesweiter Resonanz im Bunker Valentin gespielt haben, dann geht es nicht um Ende der Menschheit, sondern um Die letzten Tage der Menschheit.“ Pierwoß bitter: „Ein Staatsrat muss das nicht alles wissen. Was er aber wissen sollte: Das Bremer Theater hat einen Kulturauftrag.“ In dem „Aufsatz“ – so bezeichnet der Weser Report den Musical-Beitrag des Staatsrates – will Dannemann die „Emotionen“ aus der politischen Diskussion herausnehmen und zu mehr „Sachlichkeit“ in der Diskussion um das Musical beitragen. Ganz sachlich vergleicht Dannemann deshalb die staatlichen Zuschüsse. „Äpfel und Birnen“ würden damit verglichen, sagt der Theater-Intendant. Geradezu „haarsträubend“ sei der Ansatz, ein Vier-Sparten-Theater mit Chor und Orchester, das pro Spielzeit 25 Premieren habe, zu vergleichen mit einem kommerziellen Musical-Theater: „Wir sind kein gewinnorientiertes Privattheater.“

Völlig einig mit Pierwoß ist da die Geschäftsführerin von Glocke und Bremer Musikfest, Ilona Schmiel. „Die europäische kulturelle Tradition wird negiert, wenn man Kultur nur in Mark und Pfennig aufwiegt“, sagt sie. Auch Wirtschafts-Leute müssten, wenn sie über Kultur zu entscheiden haben, „zwischen Masse und Klasse unterscheiden“. Es gibt die Glocke als bundesweit bekannten Veranstaltungsort nicht etwa deswegen, weil er sich über die Cheeseburger-Ausgaben der Bremen-Touristen kommerziell für den Stadtkämmerer „rechnet“. Für ihr Haus, die Glocke, stellt Schmiel derweil stolz fest: „Wir schaffen es nach den Rechnungen von Herrn Dannemann, mit einem geringeren Zuschuss als Jekyll & Hyde auch Spitzenkultur zu bieten.“ Wobei jede Mark für Kultur „eine sehr viel längere Wirkung hat als ein Musical“.

Die Glocke-Geschäftsführerin ist in besonderer Weise von den staatlichen Bindungen an das Musical-Theater betroffen: Wenn das Musical-Geschäft nicht läuft – was derzeit ganz so aussieht – dann hat die Stadt einen zusätzlichen Veranstaltungssaal mit über 1.400 Plätzen am Hals, ohne dass irgendjemand das gewollt hätte. Und ohne dass irgendjemand bisher eine Idee hätte, was man mit dem Saal – der bei Leerstand die Stadt 4,4 Millionen Mark im Jahr kosten würde – anfangen soll. Da bisher keinem etwas eingefallen ist, droht am Richtweg eine Konkurrenz, die der Glocke die populäreren, eher kostendeckenden Programme wegnehmen könnte.

Wenn für die Kultur das Kriterium entscheidend sei, mit möglichst geringen Kosten möglichst hohe Steuer-Rückflüsse zu produzieren, „dann hätten wir hier bald nur noch Mittelmaß“, sagt Schmiel: „Kultur darf nicht so betrachtet werden.“

Klaus Wolschner

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