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Hochdruckgebiet über Kampnagel

■ Gegen das heilige bürgerliche Theater: Showcase Beat Le Mot veranstaltet „SMOG-Kongress“

taz: Wie seid Ihr auf die Idee eines SMOG-Kongresses gekommen?

Showcase Beat Le Mot (SCBLM): Wir wurden letztes Jahr von der Hamburger Kulturbehörde und Kampnagel mit unserem Stück Burn Cities Burn auf eine längere Baltikum-Tour geschickt.

Dort haben wir viele interessante Künstler kennen gelernt, deren Arbeiten wir gern hier zeigen wollten.

Und warum heißt das ganze SMOG Kongress oder Klima-Gipfel?

Ein Kurator in Helsinki hat uns eines kalten Tages in eine Volkssauna mitgenommen. Dort herrschte eine unglaublich entspannte Stimmung: Soldaten, Clubgänger, japanische Trendforscher und finnische Rocker saßen im Ruheraum zusammen und lauschten dem eigenartigen nackten DJ Styxa, wie er finnische Tangos und Detroiter Techno spielte. Aus dem Geiste dieses Abends mit seiner dampfenden Atmosphäre ist ein Großteil von Burn Cities Burn entstanden.

Und Klima Gipfel heißt es, weil es im Theater so heiß hergeht?

Nicht wirklich. Das Theater ist eher ein kaltes Medium, das sich für heilig und historisch abgesichert hält. Dies sind alles Punkte, die wir am Theater hassen und gegen die wir ankämpfen. Darum darf man in unseren Aufführungen auch immer rauchen, trinken, oder auch mal einfach rausgehen. Dieses „hohe Ross Theater“ gehört abgeschossen. Wenn das bürgerliche Theater Troja ist, dann sind Showcase Beat Le Mot das hölzerne Pferd vor seinen Pforten.

Na ja, so spannend und revolutionär sind eure Stücke nun auch nicht.

Das sagst du doch nur, weil es in Deutschland nicht üblich ist, harte Themen und Theorien auf unterhaltsamere Weise zu zeigen. Nenn uns doch mal was wirklich Neues, Revolutionäres im deutschen Theaterbetrieb!

Schlingensief?

Quatsch, der ist doch bloß ne staatliche Staatstheaterschranze der alten Schule. Außerdem werfen sein Despotismus und seine Kontrollsucht die Arbeitsweise am Theater um hundert Jahre zurück. Da wird doch nichts anderes als der veraltete Geniebegriff zelebriert.

Und warum macht ihr einen Kongress, anstatt ein neues Stück während des in Kürze startenden Bilderstürmer-Festivals auf Kampnagel zu zeigen?

Im Grunde ist der Kongress das neue Stück. Die Leute, die bei unseren Bühnenstücken den meisten Spaß haben, denken die ganze Zeit mit. Was wir ihnen anbieten, setzen sie selbst neu zusammen und wägen es ab gegen unsere Vorschläge. Genau das Gleiche passiert beim Kongress auf einer anderen Ebene. Eine Aufgabe von Showcase Beat Le Mot war immer, auch als Gastgeber zu fungieren, Menschen einzuladen, bei unseren Performances mitzumachen oder unentdeckte Talente zu zeigen. 1999 haben wir schon am Podewill in Berlin den Theaterkongress Permanentes Testbild organisiert. Dies ist unsere Art, den Fans und den begleitenden Künstlern danke zu sagen.

Danke wofür?

Wenn wir in unseren Performances immer viel klauen, Fremdmaterial benutzen und zitieren, dann sind jetzt beim Kongress die Leute und Projekte, die wir gerade wichtig finden und deren Material wir manchmal verändert verwendet haben, eben direkt dabei. Das Ganze funktioniert etwa wie eine groovende Literaturliste.

Gibt es noch einen anderen Grund, den Kongress als Riesen-Sauna einzurichten?

Nun, es gibt einfach zu viele schleppende und träge Kongresse und Tagungen zu den verschiedensten Themengebieten. Die laufen immer als Schlaftablette ab, und die wirklich wichtigen Gespräche fangen meist erst nach der offiziellen Veranstaltung an. Wenn Alkohol und Musik ins Spiel kommen und der ganze öffentliche Podiumsdruck wegfällt. Aus diesem Grund möchten wir mithilfe der Sauna schon von Anfang an eine relaxte Atmosphäre erzeugen. Und hoffentlich wird die Hitze und viel nackte Haut die Verkrampfung lösen und den Crazyness-Faktor antreiben.

Womit muss der Gast auf Kampnagel rechnen?

Erstmal wird es Performance-Vorträge geben. Hanno Soans aus Estland wird über seine Doktorarbeit zu Body Art sprechen und sich dabei live tätowieren lassen. Sein Kollege Marko Raat zeigt Ausschnitte aus seinen halbdokumentarischen Filmen. Unter anderem wird da der Einwanderungsprozess eines estnischen Kunsthistorikers gezeigt, der aus ästhetischen Gründen nach Dänemark ziehen will, weil er die dänische Architektur so liebt. Man kann sich vorstellen, dass dies zu einiger Verwirrung führt.

Und weiter?

Tja, neben weiteren Vorträgen wird es eine Rambo III-Lesung geben, Kora Koralle wird Massagen anbieten, Rudi Burr wird die Darmgeräusche von sich entspannenden Personen live mischen. Wir möchten auch Hamburger Musiker, die mit perfomativen Aspekten arbeiten, in einem neuen, etwas theatraleren Rahmen zeigen. Mariola Brillowska wird Auschnitte aus ihren neuen Filmen zeigen. Und SCBLM wird mit She She Pop für die Gäste kochen.

Gibt es auch Musik?

Logo. Helgoland werden ihre Brutalo Jingles spielen, KissKiss BangBang werden losrocken, Kubin weiß noch nicht, was er machen möchte, Kante werden Platten auflegen. Darüberhinaus gibt es noch DJs und eine Videodisco.

Interview: Karin Dellinger

SMOG-Kongress/Klimakonferenz auf Kampnagel, Freitag 9.November, 21 Uhr, open end. Samstag 10. November, 16 Uhr, open end; www.showcasebeatlemot.de

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