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Bewährung für Hattig

■ Fast alle sind sich einig: Der Wirtschaftssenator hat das Parlament hintergangen, aber die SPD hält ihm die Stange

Am Ende ging es ganz deutlich aus: Mit 81 von 96 abgegebenen Stimmen hat die Bremer Bürgerschaft den Misstrauensantrag der Grünen gegen Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) abgelehnt. Aber die nackten Zahlen täuschen. Die Koalitionäre waren durchaus nervös, wusste doch niemand so genau, wo mit Heckenschützen zu rechnen wäre. Dass Hattig nach der neuerlichen Krise des staatlich garantierten Bremer Musicals durchfallen würde, glaubte zwar niemand, aber ein Ergebnis, das ihn gründlich kompromittieren würde, lag zeitweilig in der Luft.

So mahnten sich denn die Fraktionschefs gegenseitig, ihre Scharen hinter sich, dem Wirtschaftssenator und der großen Koalition möglichst vollständig zu versammeln: „Wir werden 41 Stimmen bringen“, sagte Jens Eckhoff (CDU) mit einem Seitenblick auf sein SPD-Pendant Jens Böhrnsen. Der beeilte sich, „noch etwas mehr“ zuzusichern und spekulierte, auch in der CDU gebe es ja Kritik an Josef Hattig. Schließlich hatten beide Erfolg: Neben den zehn Grünen und einem DVUler stimmten in geheimer Wahl nur zwei Abgeordnete der Koalition gegen Hattig, drei enthielten sich der Stimme.

Dabei waren die Vorwürfe gegen den Wirtschaftssenator gewichtig: Er habe das defizitäre Musical nicht geheilt, sondern einfach weitergeführt, sagte Helga Trüpel für die Grünen, und das alles unter dem Deckmantel einer privatwirtschaftlichen Unternehmung. Die Musical-Pleite reihe sich an weitere gescheiterte Projekte, die Hattigs Ressort gemeinsam mit dem Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung (BAW) von Ex-Staatsrat Frank Haller (CDU) zu verantworten habe: Ocean Park, Rhodarium, überdimensionierte Rennbahnplanung. Im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung zwischen Bremen und dem neuen Musical-Betreiber Klaus-Peter Schulenberg warf Trüpel dem Wirtschaftssenator gar „Günstlingswirtschaft“ vor. Aber am Schwersten wiegt für die Grünen, dass das Wirtschaftsressort immer wieder Informationen über den wahren Stand des Musical-Desasters verweigert und die Parlamentarier sogar bewusst getäuscht habe. Hattig habe einfach kein angemessenes Verständnis von Demokratie, brachte Trüpel ihr Misstrauen auf den Punkt.

Zumindest in dem Punkt musste SPD-Fraktionschef Böhrnsen ihr Recht geben: „Fassungslos“ sei seine Fraktion darüber, „in welchem Umfang, mit welcher Arroganz und Unverfrorenheit leitende Beamte der Wirtschaftsbehörde parlamentarische Gremien falsch oder gar nicht informiert haben.“ Dennoch, für ein Misstrauensvotum erschien das den Sozialdemokraten nicht genug. Jens Böhrnsen gab ehrlich zu, warum: Hattigs Abwahl hätte das Ende der großen Koalition bedeutet. In der könne „jeder Partner sein eigenes Personal“ bestimmen. Ein unmoralisches „Angebot“ konnte Böhrnsen sich nicht verkneifen: Die ausstehende Aufklärung der ganzen Musical-Historie biete Gelegenheit, „das notwendige Vertrauen in das Wirtschaftsressort wieder herzustellen.“

Hattigs Parteifreund Eckhoff hielt sich indes auffallend zurück. Mit dem Hinweis, man stimme hier nicht über einen Musicalsenator ab, sondern über einen Wirtschafts-Senator, musste sich der kritisierte Hattig begnügen. Danach spulte Eckhoff routiniert eine Lobeshymne auf die wirtschaftlichen Erfolge der großen Koalition ab, in der der Name Hattig allenfalls am Rande vorkam. Der Grünen Karoline Linnert kam die Rede in großen Teilen bekannt vor . . .

Mit einer Eloge auf den „großen Unternehmer“ Hattig sprang Bürgermeister Henning Scherf (SPD) ein, auch wenn er zugeben musste, dass Hattig sich in den parlamentarischen Spielregeln nicht eben zu Hause fühlt: „Der kommt aus einem ganz anderen kulturellen Milieu“, nahm er seinen Senatskollegen in Schutz, der sich auch nach gut drei Jahren „erst eingewöhnen“ müsse. Nur die passenden Bürgen wollten Scherf nicht gleich einfallen: „Um den hat mich seinerzeit sogar Helmut Kohl beneidet“, sagte er, und schob erst auf das Murren seiner Fraktion hinterher: „Und Gerhard Schröder auch.“

Jan Kahlcke

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