Realität ist Trumpf

Tiere, Freundschaft, Negationen:In Kinderbüchern kann man viel über das Weltbild der Erwachsenen erfahren – allerdings nichts Gutes

von VERENA KERN

Mit zwei, drei Jahren fängt es an. Von diesem Alter an sind Kinder in der Lage, ganze Sätze zu verstehen, teilweise auch (die Mädchen!) selbst Sätze zu bilden, sogar eine Abfolge mehrerer Sätze. Die Kinder können kleineren Erzählungen folgen, und sie wollen es auch. Sie brauchen nun Geschichten und Bücher, die mehr bieten als nur Bilder. Sie brauchen diese Geschichten und Bücher abends vor dem Einschlafen und tagsüber, wenn sie sich vom Toben und Lautsein erholen, wenn sie krank im Bett liegen müssen, oder wenn sie nicht nach draußen können, weil das Wetter gar zu schlecht ist.

Das ist der Moment, in dem das Kinderbuch ins Spiel kommt – im günstigsten Fall. Nach den Erhebungen der „Stiftung Lesen“ ist die Bereitschaft, ein Buch überhaupt in die Hand zu nehmen, seit Jahren rückläufig, und zwar in allen Altersgruppen. Nur noch sechs Prozent der Deutschen lesen täglich in einem Buch, 1992 waren es noch doppelt so viele.

Dabei ist das Lesen, der Umgang mit Sprache, längst als eine der zentralen Schlüsselqualifikationen in unserer – allen Bilderfluten zum Trotz – nach wie vor wort- und schriftgeprägten Gegenwart erkannt. Organisationen wie die „Stiftung Lesen“ bemühen sich rührend darum, zu verhindern, dass diese entscheidende Kulturtechnik immer mehr vernachlässigt wird. Kongresse, Tagungen, Kampagnen sinnen der Frage nach, was geschehen muss, um die Leselust wieder zu stimulieren.

Denn Lesen bildet nicht nur, es stärkt die Vorstellungskraft, die Fantasie, die Intelligenz und das Abstraktionsvermögen. Es ist die Grundlage für den Erwerb all jener Kompetenzen, die heute so hoch im Kurs stehen: Medienkompetenz, Kommunikationskompetenz, Konzentrationsfähigkeit, das Denken und Handeln in vernetzten Strukturen. Mit einem Wort: Wer Kindern etwas Gutes tun will, sorgt dafür, dass sie mit Büchern – und nicht nur mit Fernsehen, Computer und Heftchen von Walt Disney & Co. – in Kontakt kommen.

Denjenigen Erwachsenen, die genau dies tun, den Eltern ebenso wie den Machern von Kinderbüchern, kann getrost unterstellt werden, dass sie nichts dringlicher wollen, als die Entwicklung der Kinder zu fördern; dass es ihnen um Zukunftsfähigkeit und Chancenerwerb geht; dass sie überdurchschnittlich bemüht sind, den Kindern zu einem guten Start ins Leben zu verhelfen; dass sie sich lieber einen Gedanken zu viel als einen zu wenig machen; dass sie sich kümmern und auf hochherzige Weise nur das Beste wollen.

Um so frappierender ist, wie negativ das Bild ausfällt, das in Kinderbüchern direkt und indirekt von der Welt vermittelt wird. In diesem Hochprodukt unserer Kultur verdichtet sich der ganze Jammer der modernen Lebensweise, das ganze Drama des Unbehagens an sich selbst, das immer dann auftritt, wenn man mit sich selbst nicht im Reinen ist und nicht imstande, eine Idee zu entwickeln, wie man aus der eigenen Identitätskrise herausfinden könnte.

Das Kinderbuch ist das Zentralorgan erwachsener Sorgen. Die Sorge der Erwachsenen heißt nicht Hunger, Krankheit oder Not. Ihre Sorge ist vielmehr, dass die Kinder mit der Realität, so wie sie ist, nicht zurechtkommen könnten. Jetzt nicht und später erst recht nicht.

Die Welt, in die die kindlichen Leser hineinwachsen, ist für die Erwachsenen ein unheimlicher und bedrohlicher Ort – offensichtlich nicht erst seit dem 11. September, sondern seit vielen Jahren schon. Die Bedrohungsszenarien, mit denen wir seitdem leben, sind insofern als Bestätigung längst vorhandener Befürchtungen zu verstehen. Die Angst, die bislang diffus und namenlos war, hat ein Gesicht bekommen.

Die Sorge der Erwachsenen gilt der psychischen Gesundheit. Sie ist anscheinend kein Gut, das einfach vorausgesetzt werden kann. Dann wäre nichts weiter zu tun, als für möglichst günstige Rahmenbedingungen zu sorgen – damit das, was ist, intakt bleiben kann. Aber psychische Gesundheit, man könnte auch sagen: seelische Unversehrtheit, ist eben offenkundig nicht von vornherein vorhanden. Sie muss vielmehr – immer im Bewusstsein ihrer Fragilität und Flüchtigkeit – mühsam und mit allen Mitteln erst aufgebaut werden.

Genau das versuchen Kinderbücher zu leisten. Indem sie Zuspruch und Aufmunterung in einem Maß spenden, wie man es sonst nur bei Menschen tut, von denen man meint, sie hätten es bitter nötig. So groß soll die Portion sein, dass sie für ein ganzes Leben reicht. Ganz selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass es später, im Erwachsenenleben, nicht mehr genügend positive Zuwendung geben wird.

Und die Kinderbücher versuchen, selbstredend auf „sanfte“ Art, den Kleinen drei Dinge nahe zu bringen: Realität, Realität und nochmals Realität. Denn, so die Annahme, nur Realitätstüchtigkeit stellt sicher, dass man in der Welt bestehen kann. Wer nicht möglichst früh angeleitet wird, sie einzuüben, der droht unter die Räder zu kommen. Er bleibt ein Träumer in einer Welt, in der die Träume ausgeträumt sind.

Wer sich mit den aktuellen Neuerscheinungen von Büchern für Vorschulkinder – jenen Büchern also, die Grundlagen legen wollen – beschäftigt, ist mit ebendiesem widersprüchlichen Eindruck konfrontiert: dem Zusammenwirken von offenkundig Positivem und untergründig Negativem, von den Errungenschaften sozialpädagogischer Bestrebungen und schierer Lebensangst. Man meint es gut, aber eigentlich sieht man schwarz.

Und gerade weil man so schwarz sieht, muss man es noch besser meinen. Vor allem wenn man es mit Kindern – diesen, wie heute allgemein angenommen, Schwächsten der Gesellschaft – zu tun hat. Sie brauchen Schutz, man muss sie in Watte packen, die zarte Seele ist zerbrechlich. Aber dennoch kann man es ihnen, leider!, nicht ersparen, sich mit den harten Tatsachen „auseinander zu setzen“.

Die Macher von Kinderbüchern – Autoren, Illustratoren, Verlage – scheuen keinen Aufwand, ihrer Zielgruppe ein erfreuliches Angebot zu machen. Heiterkeit, Wärme, Zuspruch sind die Leitmotive. Darin gleicht das Kinderbuch dem Kindergarten, wo sich ebenfalls auf breiter Front die Zuspruchs-und-Beruhigungspädagogik Bahn gebrochen hat. In die Einrichtung von Kuschelecken, Rückzugsräumen, Höhlen und Nestern und die Ausstattung mit Hängematten, Duftlampen und Kissenbergen fließt mehr Energie als irgendwohin sonst. Das Kind als Stressopfer, das Sedativa braucht, um nicht zu scheitern an der Überforderung, die das Leben darstellt.

Schon die Gestaltung der Bücher gehört zu den positiven Spitzenleistungen westlicher Kreativität. Kein Buch gleicht dem anderen, es gibt Kinderbücher im Hosentaschenformat und als Riesenbilderbuch, in jedem Fall ist es ein Sonderformat. Die Farbgebung ist harmonisch, freundlich, wonnig: leuchtendes Orange, sonniges Gelb, Meerblau, Waldgrün. Es ist, als wäre man permanent an einem schönen Urlaubsort.

„Du bist nicht allein“, „Trau dich, kleiner Bär“, „Ich bin stark“, „Kleiner Frosch – ganz groß“ oder „So groß!“ lauten die Buchtitel. Die Bebilderung ist üppig und einfallsreich, die Schrift lesefreundlich und variantenfroh. Manchmal sind kleine Überraschungen beigegeben, etwa das geheime Tagebuch der Katze Zora in „Moritz Maus und das Geheimnis der roten Katze“. Und bisweilen rundet der zarte Hinweis „Sei lieb zu diesem Buch!“ die Phalanx der Fürsorge und Herzlichkeit ab.

Die handelnden Figuren sind zumeist Tiere, die eine mühelose Identifikation erlauben und auf kindliche Weise kuschelig und nett wirken: kleine Häschen, kleine Mäuse, lustige Schweinchen, gemütliche Bären, Hunde, Katzen und ab und an auch ein freundliches Flusspferd. Die Bücher folgen damit der alten Tradition der Fabel (die übrigens – kleine Pointe am Rande – ihren Ursprung im Orient hat) und halten dies auch durch, wenn die Protagonisten keine Tiere, sondern Kinder sind. Die Fabel ist eine lehrhafte literarische Kurzform, in der eine allgemein verbindliche Erfahrung beziehungsweise Moral an einem Beispiel veranschaulicht wird.

Ebenso ist es in den Kinderbüchern. Die Figuren erleben kleine Geschichten, in denen Szenen, Themen und Probleme des Lebensalltags verhandelt und gelöst werden. Dazu wird ein Haufen wohlmeinender Botschaften vermittelt. In „Bäh, sagt Babette“ wird in einem recht langatmigen Gespräch zwischen dem Hund Eddie, dem Kater Alabaster und dem Schwein Babette erläutert, wozu eine Zunge alles gut ist – Lerne deinen Körper kennen! In „Ich kanns besser!!“ liefern sich Max und Anna einen regelrechten Angeberwettkampf, der im Krankenhaus und mit einem durchschlagenden Lerneffekt endet – Angeben ist blöd! In „Rosa“ rettet das gleichnamige Schweinemädchen seine fünf trägen Brüder aus der Höhle des Wolfs – Geschlechterstereotype stimmen nicht! Und sportliche Betätigung ist sinnvoll!

Fast jeder Kinderbuchverlag bietet inzwischen ganze Reihen an, in denen jeweils ein und dieselbe Figur jede erdenkliche Alltagssituation exemplarisch erlebt und bewältigt: der kleine Bär des Münchner arsEdition Verlags („. . . bekommt ein Geschwisterchen“, „. . . muss Zähne putzen“, „. . . kommt in den Kindergarten“, „. . . verträgt sich wieder“ et cetera); das Kaninchen Pauli des Zürcher Neugebauer Verlages („Du schlimmer Pauli!“, „Komm wieder heim!“, „Streit mit Edi“ et cetera; in den englischen Version heißt das Tier übrigens „Davy“); das Mädchen Conni des Hamburger Carlsen Verlages („. . . zieht um“, „. . . lernt Rad fahren“, „. . . backt Pizza“ et cetera); der kleine Eisbär (Nord-Süd), Pettersson und Findus (Oetinger) oder Felix (Coppenrath). Gelingt es, die Figur zur Marke aufzubauen, ist zudem vielfältigen Merchandisingmaßnahmen Tür und Tor geöffnet: Spielzeug, Kuscheltiere, Musikkassetten, CD-ROMs, Kinofilme kommen auf den Markt.

Die Botschaft lautet stets: Sozialverträgliches Verhalten ist okay! Selbstverständlich werden dabei auch den Betreuungspersonen der Kinder ratschlagartige Handlungsanweisungen an die Hand gegeben (sie kaufen schließlich die Bücher), so dass die Kinderbücher auch eine soziopsychologische Aufgabe übernehmen und den Charakter von Erziehungsratgebern gewinnen.

Bisweilen schießen die Bücher in puncto Erwachsenenansprache übers Ziel hinaus, etwa in „Die kleine Sorge“, wo der Bär Archibald Kummer hat, symbolisiert durch eine kleine Wolke, die hartnäckig über seinem Kopf schwebt und sich erst verscheuchen lässt, als er zu weinen beginnt. Die Botschaft (Lass deinen Gefühlen freien Lauf! Akzeptiere deinen Kummer!) ist für Kinder absurd. Sinn macht sie hingegen für Erwachsene, die, anders als Kinder, ihren Kummer zumeist nicht mehr direkt artikulieren können.

Daran zeigt sich aber auch, dass das Kinderbuch als Selbstgespräch der Erwachsenen zu begreifen ist. Sie können nicht anders, als von sich selbst auszugehen. Sie waren selbst einst Kinder, aber sie können sich kaum noch daran erinnern. Die Zeiten waren auch andere – weniger bedrohlich. Ihre Lektionen haben sie gelernt. Die Idee, sich dem kindhaften, in die Zukunft gerichteten Denken zu öffnen, indem sie Zugang zum Unbewussten und Traumhaften suchen (wie dies beispielsweise in Michael Endes Kinderbüchern der Fall ist), kommt ihnen nicht. Das Konzept der Kindheit als Vorstufe zum Erwachsensein – und nicht als eigenständige Phase mit eigenen Regeln und Rechten – hat sich durchgesetzt, sogar schon im Hinblick auf die Kleinsten.

Oftmals ist der Grundmodus der Kinderbuchgeschichten von vornherein defensiv und passivisch. Die Figuren werden nicht von sich aus aktiv, wie etwa in jenen Märchen, in denen jemand auszieht, um die Welt zu erkunden. Den Figuren stößt etwas zu, und das ist selten schön. In „Strandhunde“ etwa wird der Hund Finn (der, das ist das Ungewöhnliche, als Ich-Erzähler fungiert) ausgesetzt, irrt am Strand umher, erlebt vielerlei Enttäuschungen und findet schließlich beim Kutterkapitän Husen ein neues Zuhause und einen Freund.

Überhaupt die Freundschaft. Ihr Hohelied wird in auffallend vielen Kinderbüchern gesungen. Ob in „Moritz Maus“ (der lernen muss, wer es wirklich gut mit ihm meint – nämlich nicht die frechen Igel Pink und Pank, sondern, ausgerechnet, eine Katze) oder in „Bärenfreunde“ (wo einer der drei Bären einen Roller findet und forthin eine Solonummer fährt, bis der Roller kaputtgeht und er Hilfe braucht).

Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten, heißt es schon in dem 1978 erschienenen Janosch-Buch „Oh, wie schön ist Panama“. Das Motto gilt in den Kinderbüchern von heute mehr denn je. Das mag daran liegen, dass es inzwischen mehr Einzelkinder gibt als jemals zuvor. Für sie ist das Zusammensein und Zusammenhalten in Kindergruppen keine selbstverständliche Verhaltensweise mehr, sondern muss eigens trainiert werden – die derzeit so heiß gehandelte Teamfähigkeit schon fest im Blick. In der Verherrlichung der Freundschaft steckt aber auch die Botschaft: Allein schaffst du es nicht! Allein sein ist unschön! Sondere dich nicht ab! Und halte dich bloß nicht für anders oder gar etwas Besseres!

In dem derzeit sehr populären „Regenbogenfisch“ beispielsweise (inzwischen auch in Türkisch/Deutsch erhältlich) spielen die anderen Fische erst dann wieder mit dem Regenbogenfisch, als der seinen Stolz ablegt und ihnen von seinen Glitzerschuppen abgibt, bis er selbst nur noch eine einzige hat. Auch bei den „Bärenfreunden“ führt die Solonummer (Roller gefunden, Sonnenbrille aufgesetzt, neu frisiert) unweigerlich ins Abseits.

Man muss schon sehr lange suchen, um ein Kinderbuch zu finden, das einen echten Einzelgänger ins Rennen schickt: etwa „Das Brillenhuhn“, das bereits äußerlich (die Brille!) als Außenseiter gekennzeichnet ist. Ihm gelingt es, den hungrigen Fuchs in die Flucht zu schlagen, allein durch Grips, Fantasie und Unerschrockenheit.

Existenzielle Bedrohung; die Gefahr, gefressen zu werden vom Wolf, vom Fuchs, von der Katze; Verlassenwerden und Hilflosigkeit, wenn man auf sich allein gestellt ist; das Leben als Kampf, als Rattenrennen; Konkurrenz, Leistungsdruck, Gruppenzwang: das Kinderbuch ist trotz seiner Puppigkeit und Niedlichkeit nicht zimperlich – einerseits.

Andererseits ist es extrem zimperlich, wenn es darum geht, Fantasie- und Parallelwelten zu entwerfen. Nirgendwo ein Kobold, ein Ungeheuer, eine Hexe, die nicht klein und schnucklig wäre. Nirgendwo ein Erlebnisraum, der tief und weit genug ist, um die Gedanken zu beflügeln und in den Kindern Bilder entstehen zu lassen, die über die netten Illustrationen der Bücher hinausgehen könnten.

Selbst da, wo fantastische Elemente ins Spiel kommen, bleibt das Kinderbuch dem Hier und Jetzt demütig verpflichtet. Etwa in dem Buch „Der Sonnenhocker“, in dem ein Junge namens Erk an einem langweiligen Sonntag (Kids, ich weiß Bescheid!) plötzlich mit seinem Hocker zur Sonne fliegt. Dort trifft er neben dem freundlichen Herrn Sonnenschein auch auf Sonnenbänke, Sonnenuhren, Sonnenschirme, Sonnenblumen, Sonnenmilch (von der Kuh Sieglinde), Sonnenbrand und so weiter. Wieso sollte es anderswo anders sein als dort, wo wir sind? Der Clou der Geschichte (die Sonne ist auch ein Hocker) führt geradewegs in vorneuzeitliche Vorstellungen, nicht aber ins Fantastische.

Zumindest in dem Buchsegment für Kinder ab zehn Jahren wird seit dem Erfolg von Harry Potter, der die Realitätsversessenheit der Erwachsenen Lügen strafte, einiges an magischen Welten aufgeboten, darf das Mögliche größer sein als das Wirkliche, dürfen die Gedanken freier und riskanter sein. Für die Lektüre der Kleineren aber gilt immer noch: Realität ist Trumpf.

Sie werden auf die Tatsachen eingeschworen beziehungsweise auf das, was die Erwachsenen für Tatsachen halten, als sei die Sorge berechtigt, der Realitätssinn könne sich andernfalls nicht entwickeln. Und als müsse derjenige, der einen Möglichkeitssinn entwickelt, zwangsläufig Schiffbruch erleiden.

Als in den Sechzigerjahren der große Realismus einzog ins Kinderbuch, geschah das in bester Absicht. Es galt, Klischees und Stereotype beiseite zu räumen, es galt, die Welt unverfälscht und unverkitscht so zu zeigen, wie sie ist. Dazu gesellte sich in den Siebzigerjahren ein pädagogischer Eifer, der auf der Hoffnung basierte, die Welt könne verbessert werden, indem man die Kindererziehung verbessert. Inzwischen aber ist die Hoffnung abhanden gekommen und der Eifer hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Nun geht es um die Aufforderung, sich zu wappnen gegen die Zumutungen der Welt, und der Kinderbuchrealismus ist zu einem beengenden und erstickenden Fatalismus verkommen.

Die Botschaft „Akzeptiere die Welt so, wie sie ist“ kann nur erträglich sein mit dem Zusatz „. . . um sie dann zu verändern“. Eine so verstandene Realitätsfähigkeit würde viel besser gefördert, wenn man die Fähigkeit unterstützte, über das Bestehende hinauszudenken. Die Fixierung auf das, was ist, und die Art, wie es ist, hat etwas Klaustrophobisches und Verzweifeltes. Und das ist nicht gerade die Art, in der man die Zukunft gewinnt.

„Bäh, sagt Babette“. Von Jutta Langreuter und Andrea Hebrock (Bilder). arsEdition, München 2001, 32 Seiten, 24,90 Mark (ab drei) „Bärenfreunde“. Von Hildegard Müller. Carlsen, Hamburg 2001, 32 Seiten, 12,01 Mark (ab drei) „Das Brillenhuhn“. Von Adelheid Dahimène und Heide Stöllinger (Bilder). Carlsen, Hamburg 2001, 32 Seiten, 25,90 Mark (ab vier) „Die kleine Sorge“. Von Anne Herbauts, aus dem Französischen von Edmund Jacoby („Le petit souci“). Gerstenberg, Hildesheim 2001, 32 Seiten, 24,80 Mark (ab drei) „Der Regenbogenfisch“. Von Marcus Pfister. Nord-Süd-Verlag, Gossau/Zürich 1996, 32 Seiten, 14,81 Mark (ab vier) „Der Sonnenhocker“. Von Oliver Wenniges. Verlag Heinrich Ellermann, Hamburg 2001, 32 Seiten, 22 Mark (ab fünf) „Ich kanns besser!!“ Von Papan, Verlag Heinrich Ellermann, Hamburg 2001, 32 Seiten, 19,79 Mark (ab fünf) „Moritz Maus und das Geheimnis der roten Katze“. Von Ursel Scheffler und Jutta Timm (Bilder), Coppenrath , Münster 2001, 32 Seiten, 24,90 Mark (ab vier) „Rosa“. Von Rudolf Herfurtner und Reinhard Michl (Bilder). Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2001, 32 Seiten, 24 Mark (ab vier) „Strandhunde“. Von Katja Gehrmann. Carlsen, Hamburg 2001, 32 Seiten, 26,89 Mark (ab fünf) VERENA KERN, 37, ist taz.mag-Redakteurin. Ihre Kindheit hat sie mit Pippi Langstrumpf, Rumpelstilzchen und dem Räuber Hotzenplotz verbracht