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Brüder zur Sonne

Peter Klemm aus Jenfeld hat Hamburgs erstes Null-Heizenergiehaus gebaut. Das Geheimnis ist Dämmen und Lüften  ■ Von Gernot Knödler

Der schwarze Bullerofen im Wohnzimmer ist eigentlich überflüssig. Das Ehepaar Klemm hat ihn der Baufirma nur deshalb abgetrotzt, weil er so gemütlich ist und „weil ich jeder Technik misstraue“, wie Peter Klemm sagt. Denn die Klemms bewohnen ein „Nullemissionshaus“, wohl das erste in Hamburg. Dafür, dass es bei ihnen warm ist, sorgt allein die Sonne.

Begonnen habe die Geschichte vor dreieinhalb Jahren, erzählt Klemm. Auf der Suche nach einem Altbau sei seiner Frau Christine in Billstedt ein Niedrigenergiehaus aufgefallen. Plötzlich war klar: So eines wollten die Klemms auch haben. Vertrauen in die Heizkraft der Sonne hatten sie während eines dreijährigen Portugal-Aufenthalts gefasst. Anders als in dem kleinen Land, in dem Heizungen unüblich sind, muss in Klemms Passivhaus aber keiner frieren.

Mit dieser Bezeichnung wäre Klemm allerdings nicht zufrieden, denn sie bedeutet „nur“, dass das Haus maximal 15 Kilowattstunden Heizwärme pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr verbrauchen darf. Das ist zwar viel besser als beim klimafreundlichen Niedrigenergiehaus, wo diese Grenze 70 Kilowattstunden beträgt. Klemms Haus dagegen ist für das Erzeugen von Raumwärme im Prinzip gar nicht auf Strom- oder Brennstofflieferungen von außen angewiesen. Er bezeichnet es daher als „Null-Emissionshaus“.

Peter Friemert von Zebau hält das für zu hoch gegriffen. Der Geschäftsführer des Kompetenzzentrums für umweltfreundliches Bauen würde den Titel Null-Emissionshaus nur für ein Haus vergeben, in dem auch die Waschmaschine und der Fernseher keinen Strom von außen brauchen. Klemms Haus wäre daher am ehesten ein Null-Heizenergiehaus. Den Strom für Fernseher und Kühlschrank muss er einkaufen. Den Strom für die Lüfter und die Wärmepumpe, die seine Wohnung warmhalten, liefert dagegen eine Photovoltaik-Anlage.

Die Lüfter sind nötig, weil Klemms Haus fast luftdicht ist. Mit Daumen und Zeigefinger beider Hände bildet er ein keksgroßes Loch: So groß seien alle undichten Stellen des Hauses zusammengenommen. Nahezu die gesamte Luft im Haus wird durch Öffnungen in den Toiletten, Bädern und der Küche kontrolliert hinausgepustet. Auf dem Weg entzieht ihr eine Wärmepumpe nach dem Prinzip des Kühlschrank die Energie und heizt damit die angesaugte Außenluft. Warm strömt sie aus einer fünfmarkstückgroßen Düse überm Sofa.

Lärm, den viele befürchten, wenn sie von kontrollierter Be- und Entlüftung hören, ist bei den Klemms nur zu hören, wenn die Tür zum Technikraum geöffnet ist. Die Lüfter verrichten ihr Werk geräuschlos. Auch der Wunsch zu lüften kommt nicht auf, weil der permanente Luftaustausch Mief gar nicht erst entstehen lässt. Das Gleiche gilt für Schimmel und Hausstaub. „Alle Allergiker, die hausstaubkrank sind, können ein solches Haus als Sanatorium begreifen“, behauptet Klemm.

Basis des Energiesparhauses ist jedoch seine exzellente Dämmung. Sie besteht aus Zelluloseflocken, die in Kammern aus Fermacell und Pressspanplatten geblasen werden. „Unser Haus besteht eigentlich aus Zeitungspapier“ sagt Klemm, „und damit der Wind es nicht wegweht, wird es in Holz eingeschalt.“

Dazu kommt die Südorientierung: Auf der Nordseite gibt es keine Fenster. Dafür zieht sich auf der Südseite über beide Stockwerke ein Wintergarten, in dem es im Sommer bis zu 60 Grad heiß werden kann. Obwohl er nach außen nicht abgeschottet ist, gedeihen hier auch im November Stechpalmen.

Die heiße Sommerluft aus dem Wintergarten sorgt auch dafür, dass das Haus ganzjährig warme Füße hat. Durch ein langes Blechrohr strömt sie in ein Röhrensystem unter dem Haus und erwärmt das Erd-reich. Im Winter wird die kalte Luft auf dem Weg durch die Erde vorgewärmt. Anfang November hat Klemm unter seinem Haus 18 bis 20 Grad Celsius gemessen, statt acht Grad wie beim Nachbarn.

Das warme Wasser zum Duschen schließlich stammt wesentlich aus Sonnenkollektoren, die ebenfalls auf dem Dach angebracht und mit einem Speicher und der Wärmepumpe im Technikraum kombiniert sind. „In diesem supermodernen Bau findet sich nichts anderes als Physik und Technik des 19. Jahrhunderts“, sagt Klemm. Das unterschlägt zwar die Photovoltaik und die komplizierte Regeltechnik, aber es geht ihm ja ums Prinzip, und das lautet: Eigentlich könnte jeder so ein Haus bauen.

Wer das Haus besichtigen möchte, kann unter 654 89 60 mit Peter Klemm einen Termin vereinbaren.

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