Gedenken an Reichsprogrom-Nacht

„Es lag in der freien Entscheidung des Einzelnen.“ Mit dieser klaren Aussage wehrte sich Daniel Ajzensztejn, Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland, gegen jede Entschuldigung der antisemitischen Täter in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Die Bremer Bürgerschaft hatte Ajzensztejn zu ihrer zentralen Gedenkveranstaltung am Denkmal in der Dechanatsstraße eingeladen. „Zweifelsohne hat die staatliche Genehmigung, ja Aufforderung zum Mord den Raum erst geschaffen, in dem charakterschwache Menschen ihre Mordlust dann ausleben konnten“, sagte Ajzensztejn. Auch das Wegschauen aus vermeintlicher Angst kritisierte er scharf: „Zum täglichen, kleinen Widerstand, zu einfachen Gesten der Mitmenschlichkeit musste man kein Held sein. Dafür gab es genug Beispiele“. Ajzensztejn verlangte entschiedenes staatliches Eingreifen gegen Antisemitismus und Rassismus. Zugleich forderte er die Familien zur „aktiven Wahrnehmung der Erziehung“ auf. „Der Schutz der Minderheiten muss tägliche Praxis sein.“ Der bremische Rabbiner Prof. Benjamin Barslai betete, zunächst auf Deutsch, dann gesungen auf Hebräisch, das Gebet für die Opfer. Mit ihnen gedachten etwa 100 Menschen der ermordeten Bremer JüdInnen. Eine Schülerin und ein Schüler der Klasse 10c der Johanni-Schule sprachen eine Fürbitte. 91 jüdische Menschen sind in Bremen an diesem Tag dem Terror der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen. Besonders gedacht wurde dieses Jahr des ermordeten Leopold Sinasohn. Die Pusdorfer Friedensgruppe und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) organisierten Mahnwachen in Woltmershausen beziehungsweise am ehemaligen Jüdischen Altersheim in Gröpelingen. Relativ spät hatte die Deutsche Bahn eingewilligt, auf dem Bremer Hauptbahnhof im Rahmen der großen Wiedereröffnungsfeier eine kurze Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung zuzulassen. Vom Bremer Bahnhof aus wurden Juden ins KZ Sachsenhausen und nach Minsk deportiert.

Die Bremer Synagoge bekam am Abend eine metallene Tafel mit den Zehn Geboten zurück, die wahrscheinlich während der Reichspogromnacht gestohlen worden war und erst kürzlich wieder aufgetaucht ist. tg/ Laura Marina