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Neue Kinderlieder

Im Rahmen der Kulturkarawane setzen sich zwei vierte Klassen mit HipHop auseinander  ■ Von Philipp Sidhu

Morgens, viertel vor elf, vor dem Kölibri herrscht gediegene Club-Atmosphäre. Der Laden ist leer, der Blick ins Hinterzimmer, aus dem leise Musik zu hören ist, wird durch Jalousien verwehrt. Endlich öffnet sich die Tür. Misstrauisch wird der Besucher von oben bis unten gemustert und erst dann zögerlich eingelassen.

Drinnen sitzen noch brav die zwei vierten Klassen der Grund-und Realschule Friedrichstraße, die am Rap-Workshop im Rahmen der Kinderkulturkarawane teilnehmen. Die Gruppe „Djovana“ aus Mosambik ist als fachkundige Anleitung angeheuert und zeigt von Beginn an, worum es geht. Die Sprache des Gesangs ist fremd, doch der HipHop-Sound ist bekannt und das Publikum klatscht zögerlich mit.

Doch die Musiker sind nicht zufrieden mit der Resonanz. „Du“, zeigt Hélio auf einen Viertklässler, „mach was.“ Der steht eiskalt auf und gibt seine Version der Beat Box zum besten. Dabei wird das Mikrophon in beiden Händen dicht vor den Mund gehalten und aus dem Bauch und dem Kehlkopf Klänge erzeugt, die entfernt an ein Schlagzeug erinnern. Ntz-Bumm, ntz-bumm. Diesmal leichtes Wippen und mitschnippen beim Publikum. Noch immer nicht zufrieden, pa-cken die Musiker Trommeln, Rasseln und eine Art Xylophon aus und stellen sie den Kindern zur Verfügung.

Hilflos schreit der Musiklehrer kurz darauf „Trommelstop, Trommelstop.“ Der Lärm ist wie die Begeisterung ohrenbetäubend. „Das ist noch gar nichts“, beruhigt der ältere Kollege des Pädagogen. „Schlimm wird es erst, wenn sie kreischen“. Das sei dann wie eine Rückkopplung im Radio. Endlich, unter vereinzelten Trommelschlägen, kehrt eine Art Ruhe ein. Die Band erklärt, jetzt werde getanzt. Wieder anfängliche Zurückhaltung. Doch dann werden Wollmützen aufgesetzt und zurechtgeschoben. Vereinzelt werden Breakdance Moves vorgeführt. Irgendwann Massentanz. Zwei kleine Türken entzücken plötzlich mit gewagten Bauchtanzmanövern, nachdem ihnen keine neuen Bewegungen mehr einfallen.

Mit einem gebrüllten: „Immer nur einer, immer nur einer“, verhindert der Musiklehrer das Überschwappen der Party auf die Nachbarschaft. Zeit für das Schlussstück. Eine Woche lang hatten die Schüler an ihren Texten für einen gemeinsamen Sprechgesang gefeilt. Ein Text handelt über den Stadteil St. Pauli, der andere vom Fernsehen: „Von morgens um sechs bis abends um zehn, wir wollen fernsehen, wir wollen fernsehen. Ntz-bumm, ntz-bumm.“

Dann treiben die Lehrer ihre zufriedenen Schäfchen aus dem Kölibri. Von drinnen ist immer noch der Rap von „Djovana“ zu hören. Plötzlich kehren zwei der Jungen um. „Wohin geht ihr?“, wird entnervt gefragt. „Breakdancen, is' doch klar“, achselzuckend geantwortet.

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