Scham schafft Schönheit

In Riley Ips Film „Metade Fumaca“ leiden Killer an Alzheimer und Triaden-Gangster haben ein Herz für Polizistinnen

Früher war er ein Raubtier, ein junger wilder Kämpfer aus dem Triaden-Nachwuchs, der sein kleines stolzes Leben für eine schöne Frau geopfert hätte. Heute werden die Bilder in Leopards Kopf schwarz, sobald er die Augen schließt. Alle Erinnerungen sind weggeschlossen in einer entlegenen Kammer seines Gehirns; der Schlüssel ist weggeworfen. Alzheimer.

Smokeys Mutter sitzt den ganzen Tag auf der Straße, seit über 20 Jahren, und sucht nach dem Vater ihres Sohnes. Sie kann sich an nichts mehr erinnern, keinen Namen, kein Gesicht, keine Stimme, aber im Gegensatz zu Leopard spielt die Zeit für sie. Jeden Tag fügt sich ein weiteres Teil in ihr Puzzle, während Leopards Suche nach der großen verlorenen Liebe an seiner fortschreitenden Demenz zu scheitern droht. Beim Aufbruch zum nächsten „Auftrag“ vergisst er schon mal die Waffe. Am Ende aber rettet seine Vergesslichkeit ihm das Leben – nur wird er sich daran nicht mehr erinnern können.

Die Hongkong-Menschen in Riley Ips Film „Metada Fumaca“ sehnen sich nach Erinnerungen und jagen diesen Bildern ebenso verzweifelt wie lakonisch hinterher. Leopard hat dreißig Jahre im brasilianischen Exil gelebt, und die Angst, die Erinnerung an die unbekannte Schöne, für deren Liebe er einst diese Flucht in Kauf nahm, endgültig zu verlieren, führt ihn ein letztes Mal zurück in seine Heimat, die längst eine andere ist. Zwei Jahre zuvor ist Hongkong wieder in den Besitz von China übergegangen; die richtige Stadt also, um in alten Erinnerungen zu schwelgen. Mit Leopard und Smokey treffen zwei Gangster-Generationen aufeinander, die nicht mehr viel voneinander lernen können. Hier der rapide alternde Killer, dort der bauernschlaue Kleingangster. Was sie verbindet, ist ihre Suche – nach der Geliebten, dem Vater und nach dem bisschen Respekt, der sich noch zu verteidigen lohnt. Der aufdrapierte Nachwuchsgangster mit seinen schlechten Hollywoodfilm-Phrasen und der ewigen Handy-Freisprechanlage am Ohr, der immer wieder in ihre Pläne interveniert, kann von so was nur träumen.

Bilder sind in „Metada Fumaca“ aber nicht unbedingt eine verlässliche Instanz. Das einzige Porträt, das Leopard von seiner Geliebten hat, ist in Wirklichkeit das einer stadtbekannten Nachtclubsängerin; es führt ihn immerhin zu einer letzten Erinnerung, bevor die Lichter endgültig ausgehen. Die Erinnerungen aus Leopards Vergangenheit entpuppen sich als wilde Fantastereien. Scham ist auch ein virtuoser Bilderproduzent. Für Smokey dagegen sind seine Videoaufnahmen einer jungen Polizisten eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung. Ihre erste Begegnung findet unter dem Vorzeichen einer Pauluswerdung statt. Kurz zuvor hat seine Mutter ihm ein Geheimnis anvertraut: Sein Vater war Polizist. Bilder sind zum Leitmotiv im Leben dieser Menschen geworden. ANDREAS BUSCHE

„Metade Fumaca“. Regie: Riley Ip. Mit: Nicolas Tse, Eric Tsang, Shu Qui u. a., Hongkong 1999, 101 Min.