: Bildung geht vor beim Sparen
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will an Schulen und Kitas über 5.000 Stellen streichen. Grüne und FDP: geht nicht. GEW ruft zur Demonstration. Auch Schulsenator Böger (SPD) ist sauer
von SABINE AM ORDE
Allen Wahlversprechen der Sozialdemokraten zum Trotz will Innensenator Ehrhart Körting (SPD) über 5.000 Stellen im Bildungsbereich einsparen. Konkret sollen 3.175 Lehrer- und 1.890 Erzieherstellen auf der Sparliste stehen, die Körting am Mittwoch der Finanzarbeitsgruppe der künftigen Koalitionspartner präsentiert hat. Das wurde gestern aus dieser Arbeitsgruppe bekannt – und sorgte umgehend für massive Proteste. Denn mit seinen Vorschlägen hat Körting nicht nur Grüne und FDP, GEW und Philologenverband gegen sich aufgebracht, sondern auch die Bildungspolitiker der eigenen Partei.
Zwei Drittel der Stellen, die Körting bei den Lehrern einsparen will, gehen auf den Rückgang der Schülerzahlen besonders im Ostteil der Stadt zurück. Bis 2006 sollen hier rein rechnerisch 2.150 Lehrerjobs überflüssig werden. Bislang hatten die Sozialdemokraten stets beteuert, diese Stellen zur Verbesserung der pädagogischen Qualität an den Schulen einsetzen zu wollen. Das besagt auch ein Parteitagsbeschluss der SPD. Nach den Plänen Körtings sollen diese Stellen jetzt ersatzlos gestrichen werden.
Außerdem will der Innensenator an die Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden etwa für Klassenlehrer ran. Auch soll die Arbeitszeit der Berliner Pädagogen denen in Hamburg angeglichen werden. Grundschul- und Gesamtschullehrer müssten dann länger arbeiten. Ganz streichen will Körting 410 Stellen der Vertretungsreserve für Dauerkranke, die Schulsenator Klaus Böger (SPD) gerade erst eingeführt hat. Bei den Kitas sollen die Einsparungen vor allem durch eine Verschlechterung des Personalschlüssels erbracht werden. In den Horten zum Beispiel soll eine Erzieherin künftig nicht mehr für 16, sondern für 21 Kinder zuständig sein. Insgesamt gibt es in Berlin knapp 30.000 Lehrerstellen, in den bezirklichen Kitas arbeiten 11.000 ErzieherInnen.
Schulsenator Böger distanzierte sich gestern von Körtings Vorschlägen. „Das ist nicht machbar und wird so auch nicht kommen“, sagte Bögers Sprecher Thomas John. Ein Großteil der Vorschläge sei weder mit den SPD-Bildungspolitikern noch mit der Schulverwaltung abgesprochen. Von FDP und Grünen war zu hören, dass solche Einsparungen im Bildungsbereich in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzbar seien. Die Grünen haben vorgeschlagen, 1.500 Lehrerstellen im Zusammenhang mit dem Schülerrückgang einzusparen, 3.000 Erzieherstellen in die freie Trägerschaft zu überführen.
Der stellvertretende GEW-Vorsitzende Dieter Haase warf gestern der SPD „Wahlbetrug“ vor und kündigte Demonstrationen und Kundgebungen an. Die erste soll am Mittwoch, den 21. November stattfinden. Der Philologenverband warnte vor dem „Kaputtsparen“ der Schulen.
SPD-Sprecherin Anja Sprogies wies alle Vorwürfe gestern zurück. Sie betonte, dass Körtings Liste lediglich alle möglichen Einsparungen im öffentlichen Dienst aufzeige. Die politische Entscheidung stehe noch an. Sie sei sich sicher, dass die SPD bei ihrem Wahlversprechen bleibe und der Bildung Priorität einräume. Sprogies: „Freiwerdende Mittel werden zur Qualitätssteigerung an den Schulen eingesetzt.“
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