: Michael Ballack, Kämpfer mit hoher Nase
Der Doppeltorschütze beim 4:1 gegen die Ukraine symbolisiert die Leverkusener Machtübernahme im deutschen Team
BERLIN taz ■ Das mit den deutschen Tugenden, die jetzt allenthalben wieder aus der Mottenkiste geholt werden, ist natürlich ausgemachter Humbug. Rennen und kämpfen, das sind längst keine nationalen Besonderheiten mehr, sondern die Basis jeglichen modernen Fußballs. Seltsam lediglich, dass ausgerechnet die Deutschen das später begriffen haben als alle anderen. Symptomatisch für die Umsetzung der Erkenntnis, dass es auf internationaler Ebene nicht mehr reicht, den Ball hübsch gemächlich in den eigenen Reihen laufen zu lassen, ist der Wandel eines 25-jährigen Pseudo-Beckenbauers aus Karl-Marx-Stadt zum wilden Kampfschwein.
Michael Ballack haben die Vergleiche mit dem deutschen Fußballkaiser in der Vergangenheit selten zum Vorteil gereicht. Ohne Zweifel ein exzellenter Fußballer, fehlt ihm doch im Vergleich mit Beckenbauer ein gewisses Maß an Genialität, abgesehen davon, dass der nunmehrige Bayern-Präsident trotz aller Lässigkeit ein hervorragender Defensivspieler war. Wenn Ballack ungestüm grätscht, bewegt er sich stets am Rande des Platzverweises, und wenn er lässig sein will, ist er sofort Schnösel und Sündenbock. Der Beckenbauer-Vergleich, der ihn, so schien es, die Nase noch ein kleines Stück höher tragen ließ, war pures Öl ins Feuer der Kritik.
Das beste Argument gegen Kritik im Fußball sind Tore, doch es waren nicht nur die drei Treffer, die Michael Ballack in den beiden Ukraine-Spielen erzielte, sondern auch seine Präsenz und Umsicht, die ihn zum Katalysator des kleinen Wunders werden ließen, welches eine lethargische und ratlose Mannschaft gerade noch rechtzeitig in ein Team verwandelte, das sich die WM-Teilnahme tatsächlich verdient hat.
Mindestens genauso viel Anteil an dieser Entwicklung wie Teamchef Rudi Völler hat Klaus Toppmöller. Der lässt seine Leverkusener offensiven, international wettbewerbsfähigen Fußball spielen und hat Ballack eine Rolle zugewiesen, die dessen Fähigkeiten perfekt entspricht. Völler wiederum hat sich an das alte Patentmittel der Blockbildung in Zeiten fußballerischen Notstands erinnert und das deutsche Gerüst des Leverkusener Teams in die Nationalelf übertragen, wo es für nahezu alle gefährlichen Aktionen verantwortlich zeichnete. Verlierer der Relegation sind die Bayern, welche gerademal in Gestalt ihres Torwarts Kahn wesentlich zum Gelingen beitrugen, während Jancker, Linke, Zickler bloß Nebenrollen spielten.
Kurioserweise wurde Ballacks Durchbruch im Nationalteam, wo er zuvor stets erheblich schlechter gespielt hatte als im Klub, begünstigt durch die Verletzung von Sebastian Deisler. Als der noch mitspielte, musste Ballack in die ungeliebte Rolle des defensiven Wasserträgers schlüpfen, gegen die Ukraine durfte er den offensiven Part spielen, der ihm sozusagen auf den Leib geschneidert ist.
Durchaus pikant, dass genau diese beiden bald das Spiel der Bayern prägen sollen. Deislers Wechsel von Berlin nach München steht fest, bei Ballack sind laut Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld nur noch einige Kleinigkeiten zu regeln. Keine Kleinigkeit wird es für Hitzfeld sein, das Zusammenspiel der beiden Hoffnungsträger für die WM 2006 und nun auch die von 2002 effektiv zu gestalten. Egal, ob er diese Aufgabe nun als Trainer der Bayern oder des DFB-Teams angehen wird. MATTI LIESKE
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